Liebe Mitmenschen: Bitte bleiben Sie Menschen aller Nationen gegenüber menschlich

Liebe Mitmenschen: Bitte bleiben Sie Menschen aller Nationen gegenüber menschlich

11.03.2022 – Norbert Häring

Die berechtigte Empörung über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine darf uns nicht vergessen lassen, dass wir alle Menschen sind, auch Russen, die in Deutschland leben oder arbeiten. Ihr Akzent, ihr Aussehen oder ein Eintrag in ihrem Pass machen sie nicht zu Sympathisanten oder gar Mittätern oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Sie deswegen zu schikanieren ist eine unmenschliche Form von Nationalismus. Die Entscheidung von Facebook, Mordaufrufe gegen Russen zuzulassen, fällt darunter. Hier einige Beispiele, wozu diese Verrohung führt.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Facebook entschieden, zeitweise in einer Reihe von Ländern Aufrufe zur Gewalt gegen russische und belarussische Regierungsmitlgieder und Soldaten zuzulassen. Klar, die einen haben einen Krieg befohlen, die anderen führen ihn – auf Befehl hin. Aber rechtfertigt das, alle Standards des menschlichen Umgangs aufzuheben? Das ist nur die Spitze eines Eisbergs von Hass, der das Leid auf der Welt nicht mindert, sondern noch einmal deutlich vermehrt. Das folgende schreibt mir ein Leser, der mit einer Moldawierin verheiratet ist.

"Sehr geehrter Herr Häring,

ich glaube Sie und ich wissen, dass in Deutschland wahrscheinlich Millionen Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion leben. Ich glaube zudem, dass viele unsere Nachbarn sind und uns sowohl in Ihrer Mentalität und Kultur ähneln und daher sich gut in Deutschland über Jahrzehnte integriert haben. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Es treibt mich seit 10 Tagen, bei allen Solidaritätsbekundungen und tollem Engagement für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, welche richtig und wichtig sind, ein unter der Oberfläche loderndes Feuer um: Rassismus in seiner reinsten Form gegenüber russischsprachigen und -aussehenden Mitbürgern. Ich behaupte, die meisten können gar keinen Unterschied zwischen Moldawiern, Russen, Weißrussen, Ukrainern usw herstellen und feststellen.

Daher wird hier gerade gegen alles was den Anschein macht, russisch zu sein, Hass verbreitet. Die mediale Berichterstattung scheint viele unter uns regelrecht aufzuhetzen. Ich selber bin mit einer bezaubernden Dame aus Moldawien verheiratet. Meine angeheiratete Familie stammt also aus der ehemaligen Sowjetunion. Was ich in den letzten 10 Tagen aus diesem Familienkreis an Geschichten aus dem Alltag erfahre, ist für mich einfach unvorstellbar und macht mich unglaublich nachdenklich.

Die Frau meines besten Freundes hat auch einen osteuropäischen Hintergrund. Er rief mich heute an und erzählte mir, dass an der Schule seines Sohne ein Elternbrief verschickt worden war, in dem vor Gewalt gegen russische Kinder gewarnt wurde. Trotzdem sei ein Elfjähriger bewusstlos geschlagen worden.

Ich arbeite in einem Großhandelsunternehmen und kam mit einem LKW Fahrer der etwas ablieferte ins Gespräch. Zuerst gab er sich für einen anderen Landsmann aus. Als wir Ihm signalisierten, dass uns es völlig egal ist woher er kommt, gab er im Gespräch zu, Russe zu sein. Er berichtete davon das auf sämtlichen Rasthöfen die LKW-Scheiben von russischen Fahrern oder Speditionen eingeworfen und besprayt werden. Er sei sehr froh das er für ein deutsches Logistik Unternehmen fährt.

Die Menschen vergessen, dass sämtliche Fahrer aus diesen Regionen nicht nach Hause können und hier auf unseren Rasthöfen ausharren müssen. Die Zustände können wir uns nur ausmalen.

Die Cousine meiner Frau rief am Mittwoch unter Tränen an. Sie erzählte, dass jetzt russische Kinder von anderen Kindern getrennt werden (auch wegen ukrainischer Kinder) und angefeindet werden. Sie arbeitet in einer großen Gemeinschaftspraxis, wo einige Patienten Ihrem Unmut über „dieses scheiß Russenpack“ freien Lauf lassen.

In der Schule, welche die Tochter meines Schwagers besucht, wurde eine Freundin vom Lehrer gefragt ob sie der Klasse Putin-Witze erzählen wolle? Aus Solidarität zur Ukraine, wurden alle Schüler dazu aufgerufen, in der Aula blau-gelbe Schilder hochzuhalten. Der Sohn meines Schwagers und sein Cousin wollten nicht mitmachen. Nicht weil Sie für Putin sind, sondern weil Sie sich aufgrund Ihrer Herkunft heraushalten möchten. Darauf wurden Sie angefeindet. Das gleiche ereilte sie auch im Geschichtsunterricht, in dem Sie sich nicht äußern wollten. Sie bekamen vom Lehrer die Ansage, dass Sie dann mit schlechten mündlichen Noten rechnen müssen.

In Bezirk Hamburg-Harburg stehen diverse russische Einkaufsläden unter Polizeischutz.

Ich denke, das wir deutlich mehr tun könnten, die vielen Menschen aus der Region der alten Sowjetunion emphatisch aufzufangen und für den Westen und Deutschland zu gewinnen,, ihnen aufzuzeigen, dass es richtig war für das Leben hier, Ihr Leben in der alten Heimat aufzugeben. Der feindselige Nationalismus, der ihnen jetzt ins Gesicht schlägt, wird sie eher ins Lager Putins treiben. Die Propaganda, „der Westen behandelt euch schlecht und ist rassistisch euch gegenüber“, kriegt so nur Nährboden.

Die hier lebenden Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion können nichts für diesen Krieg und wollen diesen auch nach meiner Erfahrung nach nicht. Ich verurteile jegliche Art diesen Krieg und bete für den Frieden. Aber die Wut und Angst in Hass auf Unschuldige ausarten zu lassen, kann niemals eine Option sein.

Ich bitte Sie vom ganzen Herzen, geben Sie diesem Thema eine Stimme.

Ihr Peter Wilhelmi*

*Name geändert, Ortsangaben entfernt. Name, Adresse und Telefonnummer sind dem Autor bekannt.

Liebe Mitmenschen: Bitte bleiben Sie Menschen aller Nationen gegenüber menschlich

11.03.2022 – Norbert Häring

Die berechtigte Empörung über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine darf uns nicht vergessen lassen, dass wir alle Menschen sind, auch Russen, die in Deutschland leben oder arbeiten. Ihr Akzent, ihr Aussehen oder ein Eintrag in ihrem Pass machen sie nicht zu Sympathisanten oder gar Mittätern oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Sie deswegen zu schikanieren ist eine unmenschliche Form von Nationalismus. Die Entscheidung von Facebook, Mordaufrufe gegen Russen zuzulassen, fällt darunter. Hier einige Beispiele, wozu diese Verrohung führt.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Facebook entschieden, zeitweise in einer Reihe von Ländern Aufrufe zur Gewalt gegen russische und belarussische Regierungsmitlgieder und Soldaten zuzulassen. Klar, die einen haben einen Krieg befohlen, die anderen führen ihn – auf Befehl hin. Aber rechtfertigt das, alle Standards des menschlichen Umgangs aufzuheben? Das ist nur die Spitze eines Eisbergs von Hass, der das Leid auf der Welt nicht mindert, sondern noch einmal deutlich vermehrt. Das folgende schreibt mir ein Leser, der mit einer Moldawierin verheiratet ist.

"Sehr geehrter Herr Häring,

ich glaube Sie und ich wissen, dass in Deutschland wahrscheinlich Millionen Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion leben. Ich glaube zudem, dass viele unsere Nachbarn sind und uns sowohl in Ihrer Mentalität und Kultur ähneln und daher sich gut in Deutschland über Jahrzehnte integriert haben. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Es treibt mich seit 10 Tagen, bei allen Solidaritätsbekundungen und tollem Engagement für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, welche richtig und wichtig sind, ein unter der Oberfläche loderndes Feuer um: Rassismus in seiner reinsten Form gegenüber russischsprachigen und -aussehenden Mitbürgern. Ich behaupte, die meisten können gar keinen Unterschied zwischen Moldawiern, Russen, Weißrussen, Ukrainern usw herstellen und feststellen.

Daher wird hier gerade gegen alles was den Anschein macht, russisch zu sein, Hass verbreitet. Die mediale Berichterstattung scheint viele unter uns regelrecht aufzuhetzen. Ich selber bin mit einer bezaubernden Dame aus Moldawien verheiratet. Meine angeheiratete Familie stammt also aus der ehemaligen Sowjetunion. Was ich in den letzten 10 Tagen aus diesem Familienkreis an Geschichten aus dem Alltag erfahre, ist für mich einfach unvorstellbar und macht mich unglaublich nachdenklich.

Die Frau meines besten Freundes hat auch einen osteuropäischen Hintergrund. Er rief mich heute an und erzählte mir, dass an der Schule seines Sohne ein Elternbrief verschickt worden war, in dem vor Gewalt gegen russische Kinder gewarnt wurde. Trotzdem sei ein Elfjähriger bewusstlos geschlagen worden.

Ich arbeite in einem Großhandelsunternehmen und kam mit einem LKW Fahrer der etwas ablieferte ins Gespräch. Zuerst gab er sich für einen anderen Landsmann aus. Als wir Ihm signalisierten, dass uns es völlig egal ist woher er kommt, gab er im Gespräch zu, Russe zu sein. Er berichtete davon das auf sämtlichen Rasthöfen die LKW-Scheiben von russischen Fahrern oder Speditionen eingeworfen und besprayt werden. Er sei sehr froh das er für ein deutsches Logistik Unternehmen fährt.

Die Menschen vergessen, dass sämtliche Fahrer aus diesen Regionen nicht nach Hause können und hier auf unseren Rasthöfen ausharren müssen. Die Zustände können wir uns nur ausmalen.

Die Cousine meiner Frau rief am Mittwoch unter Tränen an. Sie erzählte, dass jetzt russische Kinder von anderen Kindern getrennt werden (auch wegen ukrainischer Kinder) und angefeindet werden. Sie arbeitet in einer großen Gemeinschaftspraxis, wo einige Patienten Ihrem Unmut über „dieses scheiß Russenpack“ freien Lauf lassen.

In der Schule, welche die Tochter meines Schwagers besucht, wurde eine Freundin vom Lehrer gefragt ob sie der Klasse Putin-Witze erzählen wolle? Aus Solidarität zur Ukraine, wurden alle Schüler dazu aufgerufen, in der Aula blau-gelbe Schilder hochzuhalten. Der Sohn meines Schwagers und sein Cousin wollten nicht mitmachen. Nicht weil Sie für Putin sind, sondern weil Sie sich aufgrund Ihrer Herkunft heraushalten möchten. Darauf wurden Sie angefeindet. Das gleiche ereilte sie auch im Geschichtsunterricht, in dem Sie sich nicht äußern wollten. Sie bekamen vom Lehrer die Ansage, dass Sie dann mit schlechten mündlichen Noten rechnen müssen.

In Bezirk Hamburg-Harburg stehen diverse russische Einkaufsläden unter Polizeischutz.

Ich denke, das wir deutlich mehr tun könnten, die vielen Menschen aus der Region der alten Sowjetunion emphatisch aufzufangen und für den Westen und Deutschland zu gewinnen,, ihnen aufzuzeigen, dass es richtig war für das Leben hier, Ihr Leben in der alten Heimat aufzugeben. Der feindselige Nationalismus, der ihnen jetzt ins Gesicht schlägt, wird sie eher ins Lager Putins treiben. Die Propaganda, „der Westen behandelt euch schlecht und ist rassistisch euch gegenüber“, kriegt so nur Nährboden.

Die hier lebenden Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion können nichts für diesen Krieg und wollen diesen auch nach meiner Erfahrung nach nicht. Ich verurteile jegliche Art diesen Krieg und bete für den Frieden. Aber die Wut und Angst in Hass auf Unschuldige ausarten zu lassen, kann niemals eine Option sein.

Ich bitte Sie vom ganzen Herzen, geben Sie diesem Thema eine Stimme.

Ihr Peter Wilhelmi*

*Name geändert, Ortsangaben entfernt. Name, Adresse und Telefonnummer sind dem Autor bekannt.

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