Die Sanktionen schaden Deutschland und der westlichen Welt mehr als Russland  was für ein Unfug!

Die Sanktionen schaden Deutschland und der westlichen Welt mehr als Russland was für ein Unfug!

09.08.2022 – the Germanz

von DIEGO R. FAßNACHT CFA

Ich lese dies immer wieder – von Schreibern offener Briefe und zuletzt erstmals auch von einer Volkswirtin. Tatsächlich lese ich diesen Unsinn fast nur aus Deutschland. Aus Großbritannien habe ich davon noch nie gehört, aus Polen auch nicht, aus den USA wirklich nur sehr sehr vereinzelt.

Ich weiß, dass ein Teil meiner Leser dies nur allzu gerne auch von mir lesen würden. Aber ich schreibe immer nur die Dinge, von den ich auch überzeugt bin.

Die Sanktionen des Westens gegen Russland sind einerseits wirtschaftlicher Natur und andererseits auf einzelne Personen bezogen. Ich will mich bei der Betrachtung einzig auf die wirtschaftlichen Sanktionen konzentrieren. Reiche Russen kenne ich zu wenig…

Die Wirkung auf die Volkswirtschaften

Die wirtschaftliche Entwicklung beruht im wesentlichen auf drei Faktoren: Arbeitskräfteeinsatz, Kapital und technologischem Fortschritt.

In Russland ist bereits nach wenigen Monaten (die Sanktionen begangen im März – also vor weniger als vier Monaten) bemerkbar, dass eine enorme Anzahl an Russen das Land verlassen hat. Schätzungen gehen von einer Million oder auch mehr zu mehreren Menschen aus. Dabei ist anzumerken, dass diese Russen wohl eher weniger zu den unterqualifizierten gehören dürften, sondern eher diejenigen sind, die in Moskau und Sankt-Petersburg ihre Expertise zur Verfügung gestellt haben. Insbesondere aus dem Wirtschaftssektor IT dürften eine Großzahl von hochqualifizierten das Land inzwischen verlassen haben.

Wenn hochqualifizierte Menschen das Land verlassen, schadet das dem Land in vielfacher Hinsicht. Hängen doch an einem Hochqualifizierten gewöhnlich bis zu sieben weitere Arbeitsplätze.

Darüber hinaus haben in weniger als vier Monaten internationale Unternehmen in einem nie gesehenen Ausmaß Kapital aus Russland abgezogen. Nahezu alle Firmen mit Hauptsitz in einem westlichen Land haben diesen Schritt vollzogen. Das hat bereits jetzt massive Folgen in Russland. Allerdings werden die langfristigen Folgen noch viel gewaltiger sein.

Zwei von drei Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung sind also enorm getroffen. Damit ist allerdings nicht genug. Ein weiterer technologischer Fortschritt ist ohne die hochqualifizierten Arbeitskräfte, ohne das notwendige Kapital, aber vor allem ohne die notwendigen Importgüter (die mit Sanktionen belastet sind) nicht vorstellbar.

Russland wird die Folgen seines Krieges gegen die Ukraine auf lange Zeit spüren. Auch wenn die deutsche Philosophie dies anders sieht.

Die öffentliche Berichterstattung konzentriert sich sehr stark auf die öffentlichen Finanzen Russlands – als ob dies in einem diktatorischen Regime wie Russland – wirklich die maßgebliche Rolle spielt. Aber auch da stellen wir fest, dass die Zentralbank zunächst gezwungen war, die Börse für den längsten Zeitraum seit der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1917 zu schließen. Und außerdem die Leitzinsen auf bis zu 20 Prozent hochzusetzen. Und schließlich natürlich den Umtausch russischer Rubel in andere Währungen zu unterbinden.

Der russische Rubel ist also eine Währung, die außerhalb von Russland kaum mehr den Wert hat, den die Russen offiziell anpreisen. Und das wissen die Russen selber auch. Aus diesem Grund haben sie beispielsweise Indien angeboten, Öl-Lieferungen in (im Abschwung befindlichen) indischen Rupies zu zahlen.

In Russland selber schrumpft bereits jetzt – nach weniger als vier Monaten – die Wirtschaft massiv und die Inflation ist nahe der 20 Prozent.

Vergleichen wir das mit den Folgen für westliche Länder und insbesondere Deutschland

Zunächst ist festzustellen, dass diese Länder weniger Güter nach Russland exportieren. Allerdings waren Exporte nach Russland – einer Volkswirtschaft mit einem BIP unterhalb dem von Italien – noch nie sonderlich wichtig.

Vereinzelt haben deutsche und westliche Unternehmen Probleme aufgrund der Sanktionen. Diese sind allerdings nicht im Ansatz mit den Problemen der russischen Wirtschaft vergleichbar.

Die Diskussion in Deutschland fokussiert sich nachhaltig auf das Thema der Gas-Importe. Der Deutsche gerät in Angst, in Zukunft im Winter frieren zu müssen. Allerdings sind die Einschränkungen der Gas-Importe aus Russland gar kein Teil der Sanktionen gegen Russland. Russland nennt es noch nicht mal eine Gegenmaßnahme – und Russland hat Gegenmaßnahmen ergriffen. Russland spielt bei diesem Thema mit der Angst des deutschen Volkes. Erfolgreich.

Doch was ist das eigentliche Problem? Dass ein Staat, der den schlimmsten Völkerrechtsbruch seit dem Zweiten Weltkrieg begeht, so agiert, das dürfte keinen überraschen. Im Gegenteil, damit sollte zu rechnen gewesen zu sein. Das eigentliche Problem ist, dass die deutsche Bundesregierung nicht bereits im Februar – spätestens im März – die Konsequenzen gezogen hat. Die hätte die klare Ansage bedeutet, dass sechs Kernkraftwerke langfristig weiterlaufen (was möglich gewesen wäre und was immer noch möglich ist) sowie jegliche Klimathematiken auf absehbare Zeit erst mal als nachrangig zu behandeln. Im Zuge dessen hätte man auch bereits zu diesem Zeitpunkt Kohlekraftwerke wieder nutzen können und auf die Verstromung von Gas verzichten können. Dann wären heute die Speicher bereits voll und der deutsche Bürger müsste keine Angst haben. Man hat es aus ideologischen Gründen nicht getan.

Im Ergebnis hat kein europäischer Staat eine solche Diskussion über die eigene Energieversorgung wie Deutschland. Das hat Gründe. Diese Gründe sind die jetzige und die vorherigen Bundesregierungen.

Aufrufe von Politikern, nur noch zwei Minuten zu duschen, hört man in anderen Ländern nicht. Das Problem sind also nicht die Sanktionen, sondern ganz grundsätzliche Probleme der deutschen Administration.

Gehen wir nun einen Schritt weiter, gehen wir davon aus, dass der Winter für Deutschland hart wird. Dann ist erst mal festzustellen, dass dies nicht in jedem europäischen – geschweige denn westlichen – Land so sein wird. Es hat also spezifische deutsche Gründe. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Energieversorgung in den Folgejahren wieder möglich sein wird. Zwar zu höheren Kosten als vor dem Krieg, aber es wird funktionieren.

Die langfristigen Folgen, die Russland zu tragen hat, wird Deutschland und der Westen insgesamt nicht im selben Maße tragen müssen.

Ich versuche immer einen rationalen Blick auf die Dinge zu wahren und dazu beizutragen. Angst ist selten ein guter Ratgeber. Verantwortlich für die spezifisch deutschen Probleme sind weniger die Sanktionen gegenüber Russland als die deutsche Energiepolitik (aktuell und in dem vorherigen Jahrzehnten).

Über den Autor
Diego Faßnacht ist Volkswirt (M.Sc. in Economics) und als CFA-Charterholder Kapitalmarktexperte. Er war früher in Deutschland politisch aktiv und unterstützt heute mit Fundamental Analysiert Privatpersonen bei der eigenen Geldanlage. Sein Podcast Fundamental Analysiert erscheint zwei Mal die Woche und beinhaltet Wissensvermittlung zu Kapitalmarktthemen sowie regelmäßige Kommentare zu aktuellen Entwicklungen.

Die Sanktionen schaden Deutschland und der westlichen Welt mehr als Russland was für ein Unfug!

09.08.2022 – the Germanz

von DIEGO R. FAßNACHT CFA

Ich lese dies immer wieder – von Schreibern offener Briefe und zuletzt erstmals auch von einer Volkswirtin. Tatsächlich lese ich diesen Unsinn fast nur aus Deutschland. Aus Großbritannien habe ich davon noch nie gehört, aus Polen auch nicht, aus den USA wirklich nur sehr sehr vereinzelt.

Ich weiß, dass ein Teil meiner Leser dies nur allzu gerne auch von mir lesen würden. Aber ich schreibe immer nur die Dinge, von den ich auch überzeugt bin.

Die Sanktionen des Westens gegen Russland sind einerseits wirtschaftlicher Natur und andererseits auf einzelne Personen bezogen. Ich will mich bei der Betrachtung einzig auf die wirtschaftlichen Sanktionen konzentrieren. Reiche Russen kenne ich zu wenig…

Die Wirkung auf die Volkswirtschaften

Die wirtschaftliche Entwicklung beruht im wesentlichen auf drei Faktoren: Arbeitskräfteeinsatz, Kapital und technologischem Fortschritt.

In Russland ist bereits nach wenigen Monaten (die Sanktionen begangen im März – also vor weniger als vier Monaten) bemerkbar, dass eine enorme Anzahl an Russen das Land verlassen hat. Schätzungen gehen von einer Million oder auch mehr zu mehreren Menschen aus. Dabei ist anzumerken, dass diese Russen wohl eher weniger zu den unterqualifizierten gehören dürften, sondern eher diejenigen sind, die in Moskau und Sankt-Petersburg ihre Expertise zur Verfügung gestellt haben. Insbesondere aus dem Wirtschaftssektor IT dürften eine Großzahl von hochqualifizierten das Land inzwischen verlassen haben.

Wenn hochqualifizierte Menschen das Land verlassen, schadet das dem Land in vielfacher Hinsicht. Hängen doch an einem Hochqualifizierten gewöhnlich bis zu sieben weitere Arbeitsplätze.

Darüber hinaus haben in weniger als vier Monaten internationale Unternehmen in einem nie gesehenen Ausmaß Kapital aus Russland abgezogen. Nahezu alle Firmen mit Hauptsitz in einem westlichen Land haben diesen Schritt vollzogen. Das hat bereits jetzt massive Folgen in Russland. Allerdings werden die langfristigen Folgen noch viel gewaltiger sein.

Zwei von drei Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung sind also enorm getroffen. Damit ist allerdings nicht genug. Ein weiterer technologischer Fortschritt ist ohne die hochqualifizierten Arbeitskräfte, ohne das notwendige Kapital, aber vor allem ohne die notwendigen Importgüter (die mit Sanktionen belastet sind) nicht vorstellbar.

Russland wird die Folgen seines Krieges gegen die Ukraine auf lange Zeit spüren. Auch wenn die deutsche Philosophie dies anders sieht.

Die öffentliche Berichterstattung konzentriert sich sehr stark auf die öffentlichen Finanzen Russlands – als ob dies in einem diktatorischen Regime wie Russland – wirklich die maßgebliche Rolle spielt. Aber auch da stellen wir fest, dass die Zentralbank zunächst gezwungen war, die Börse für den längsten Zeitraum seit der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1917 zu schließen. Und außerdem die Leitzinsen auf bis zu 20 Prozent hochzusetzen. Und schließlich natürlich den Umtausch russischer Rubel in andere Währungen zu unterbinden.

Der russische Rubel ist also eine Währung, die außerhalb von Russland kaum mehr den Wert hat, den die Russen offiziell anpreisen. Und das wissen die Russen selber auch. Aus diesem Grund haben sie beispielsweise Indien angeboten, Öl-Lieferungen in (im Abschwung befindlichen) indischen Rupies zu zahlen.

In Russland selber schrumpft bereits jetzt – nach weniger als vier Monaten – die Wirtschaft massiv und die Inflation ist nahe der 20 Prozent.

Vergleichen wir das mit den Folgen für westliche Länder und insbesondere Deutschland

Zunächst ist festzustellen, dass diese Länder weniger Güter nach Russland exportieren. Allerdings waren Exporte nach Russland – einer Volkswirtschaft mit einem BIP unterhalb dem von Italien – noch nie sonderlich wichtig.

Vereinzelt haben deutsche und westliche Unternehmen Probleme aufgrund der Sanktionen. Diese sind allerdings nicht im Ansatz mit den Problemen der russischen Wirtschaft vergleichbar.

Die Diskussion in Deutschland fokussiert sich nachhaltig auf das Thema der Gas-Importe. Der Deutsche gerät in Angst, in Zukunft im Winter frieren zu müssen. Allerdings sind die Einschränkungen der Gas-Importe aus Russland gar kein Teil der Sanktionen gegen Russland. Russland nennt es noch nicht mal eine Gegenmaßnahme – und Russland hat Gegenmaßnahmen ergriffen. Russland spielt bei diesem Thema mit der Angst des deutschen Volkes. Erfolgreich.

Doch was ist das eigentliche Problem? Dass ein Staat, der den schlimmsten Völkerrechtsbruch seit dem Zweiten Weltkrieg begeht, so agiert, das dürfte keinen überraschen. Im Gegenteil, damit sollte zu rechnen gewesen zu sein. Das eigentliche Problem ist, dass die deutsche Bundesregierung nicht bereits im Februar – spätestens im März – die Konsequenzen gezogen hat. Die hätte die klare Ansage bedeutet, dass sechs Kernkraftwerke langfristig weiterlaufen (was möglich gewesen wäre und was immer noch möglich ist) sowie jegliche Klimathematiken auf absehbare Zeit erst mal als nachrangig zu behandeln. Im Zuge dessen hätte man auch bereits zu diesem Zeitpunkt Kohlekraftwerke wieder nutzen können und auf die Verstromung von Gas verzichten können. Dann wären heute die Speicher bereits voll und der deutsche Bürger müsste keine Angst haben. Man hat es aus ideologischen Gründen nicht getan.

Im Ergebnis hat kein europäischer Staat eine solche Diskussion über die eigene Energieversorgung wie Deutschland. Das hat Gründe. Diese Gründe sind die jetzige und die vorherigen Bundesregierungen.

Aufrufe von Politikern, nur noch zwei Minuten zu duschen, hört man in anderen Ländern nicht. Das Problem sind also nicht die Sanktionen, sondern ganz grundsätzliche Probleme der deutschen Administration.

Gehen wir nun einen Schritt weiter, gehen wir davon aus, dass der Winter für Deutschland hart wird. Dann ist erst mal festzustellen, dass dies nicht in jedem europäischen – geschweige denn westlichen – Land so sein wird. Es hat also spezifische deutsche Gründe. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Energieversorgung in den Folgejahren wieder möglich sein wird. Zwar zu höheren Kosten als vor dem Krieg, aber es wird funktionieren.

Die langfristigen Folgen, die Russland zu tragen hat, wird Deutschland und der Westen insgesamt nicht im selben Maße tragen müssen.

Ich versuche immer einen rationalen Blick auf die Dinge zu wahren und dazu beizutragen. Angst ist selten ein guter Ratgeber. Verantwortlich für die spezifisch deutschen Probleme sind weniger die Sanktionen gegenüber Russland als die deutsche Energiepolitik (aktuell und in dem vorherigen Jahrzehnten).

Über den Autor
Diego Faßnacht ist Volkswirt (M.Sc. in Economics) und als CFA-Charterholder Kapitalmarktexperte. Er war früher in Deutschland politisch aktiv und unterstützt heute mit Fundamental Analysiert Privatpersonen bei der eigenen Geldanlage. Sein Podcast Fundamental Analysiert erscheint zwei Mal die Woche und beinhaltet Wissensvermittlung zu Kapitalmarktthemen sowie regelmäßige Kommentare zu aktuellen Entwicklungen.

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