Der Gesellschaft für Informatik ist Datenschutz nicht mehr wichtig

Der Gesellschaft für Informatik ist Datenschutz nicht mehr wichtig

11.04.2024 – Norbert Häring

11. 03. 2024 | Im November 2022 publizierte ich hier eine drastische Warnung vor Bargeldobergrenzen und Digitalem Euro des Präsidiumsarbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik (GI). Wenige Wochen später beschloss das Präsidium der GI, das bis dahin hochrangige Gremium mit Wirkung von Anfang 2024 zu einem ferner-liefen-Arbeitskreis herabzustufen. Das ist nun geschehen.

Ich war damals von einem Mitglied des GI-Arbeitskreises um Veröffentlichung der Warnung gebeten worden. Denn diese hatte in den etablierten Medien keinerlei Echo gefunden. mutmaßlich weil die Geschäftsstelle der GI die drastisch formulierte Stellungnahme nicht an die große (Presse-)Glocke gehängt hatte.

Gesellschaft für Informatik warnt: Bargeldobergrenze und digitale Währung führen zu gläsernen Bürgern
24. 11. 2022 | Die Gesellschaft für Informatik, die größte und wichtigste Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum, hat eine eindringliche Warnung vor einer Bargeldobergrenze und der Einführung einer digitalen Währung ausgesprochen. Weil sich die etablierten Medien nicht dafür erwärmen konnten, hierüber zu berichten, wurde ich gebeten, die Erklärung zu verbreiten.

Die Gesellschaft für Informatik ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Informatik. Sie ist die größte Interessenvertretung für Informatik im deutschsprachigen Raum und hat 16.000 Informatiker und 250 Unternehmen aus der Branche als Mitglieder.

Auf seiner Sitzung im Februar hat das GI-Präsidium beschlossen, den seit 1996 bestehenden Präsidiumsarbeitskreis (PAK) Datenschutz und Datensicherheit organisatorisch zu verzwergen. Wurden der Arbeitskreis und seine Stellungnahmen bisher unter den Gliederungen der Gesellschaft prominent präsentiert, muss man nun recht tief graben, um auf ihn zu stoßen. Bisher war der Vorsitzende des Arbeitskreises von Amts wegen Mitglied im Präsidium. Das ist vorbei. Auch die Stellung des Arbeitskreises gegenüber der Geschäftsstelle ist nun deutlich schwächer, etwa wenn es darum geht, ob und wie die Presse über Stellungnahmen informiert wird.

Nach Auskunft der GI hat das Präsidium die Grundsatzentscheidung zur Herabstufung des Arbeitskreises bereits im Januar 2023 getroffen.

Der Datenschutz- und IT-Sicherheitsexperte Dr. Gerhard Weck, der von der GI mit dem Ehrentitel “GI-Fellow” ausgezeichnet wurde, trat wegen der Herabstufung nach langjähriger Mitgliedschaft aus dem Arbeitskreis aus und schrieb einen Protestbrief an die Präsidentin.

Weck verweist darin auf Artikel 10 der Ethischen Leitlinien der GI, wonach jedes Mitglied durch seinen Einfluss auf die Positionierung, Vermarktung und Weiterentwicklung von IT-Systemen zu deren sozial verträglicher und nachhaltiger Verwendung beitragen solle:

“Mit der Auflösung des Arbeitskreises, der wie kaum ein anderer in der GI die Verantwortung der Informatiker in der Gesellschaft hinsichtlich eines Themas vertritt, das inzwischen eine kritische Dimension erreicht hat, stiehlt sich die GI aus eben dieser Verantwortung. (…) Eine Gesellschaft für Informatik, die es nicht mehr für notwendig hält, die heutigen Bedrohungen unserer Gesellschaft durch Angriffe auf Datenschutz und IT-Sicherheit fachlich fundiert zu behandeln, lässt aus meiner Sicht eben diese Gesellschaft im Stich und überliefert sie Interessengruppen, die möglicherweise unser Privatleben und sogar unsere Demokratie versuchen zu zerstören.”

Die seit Anfang 2022 amtierende, ehrenamtliche Präsidentin der GI, Christine Regitz, an die sich der Brief richtete, ist studierte Betriebswirtin und Physikerin und verantwortet im Hauptberuf als Head of SAP Women In Tech bei der SAP die Erhöhung der Vernetzung und Sichtbarkeit weiblicher Experten des Unternehmens.

Österreichs Regierung macht Zweck der Übung explizit

Die Herabstufung des Datenschutzes könnte eine Beispiel für das sein, von dem es in einem Teil des deutschsprachigen Raumes regierungsseitig heißt, “Datensouveränität und Datenschutz des Einzelnen”, sowie “Maßnahmen zur Förderung der Datensouveränität und des Datenschutzes sind laufend neu zu bewerten”.

Das sind Grundsätze der Digitalisierungsstrategie der österreichischen Regierung. Weitere Grundsätze, die klar machen, in welche Richtung diese Neubewertung gehen soll, heißen: “Nicht nur wenige, sondern viele unterschiedliche Akteure sollen Daten rechtskonform nützen können” und “Das Prinzip der Datensolidarität stellt sicher, dass Daten für Forschungs- und Gesundheitszwecke genutzt werden können”.

Die GI widerspricht

GI-Pressesprecher Frithjof Nagel widerspricht der Interpretation, die GI nehme den Datenschutz nicht mehr so wichtig. Man sei sich mit Weck einig, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für unsere Demokratie von unschätzbaren Wert sei und immer wieder verteidigt werden müsse. “Die Gesellschaft für Informatik misst dem Thema Datenschutz und IT-Sicherheit eine zentrale Bedeutung zu.”

Sie beziehe auch weiterhin regelmäßig Stellung zu aktuellen Entwicklungen und politischen Gesetzesvorhaben, die die IT-Sicherheit, die Informationsfreiheit und den Datenschutz betreffen. Die “Beispiele aus den vergangenen Wochen”, die er nennt, scheinen aber eher zu bestätigen, dass der Arbeitskreis Datenschutz auf das Abstellgleis geschoben wurde. Denn er wird dabei kaum einmal genannt. Aus dem Arbeitskreis selbst wird bestätigt, dass dieser trotz fachlicher Zuständigkeit mit den meisten der vom Pressesprecher genannten GI-Stellungnahmen nicht befasst war.

Der Sprecher stellt die Herabstufung des Arbeitskreises als normalen Vorgang dar, indem er betont,

“Präsidiumsarbeitskreise werden laut Satzung auf Zeit eingerichtet, um ein aktuelles Thema zu bearbeiten und anschließend zu enden. Sie müssen jedes Jahr vom Präsidium verlängert werden.”

Ein Blick auf den verbliebenen Präsidiumsarbeitskreis “Grand Challenges” lässt Zweifel an dieser Erklärung aufkommen. Diesen scheint es seit 2014 zu geben. Mehrfach, zum Beispiel 2014 und 2018, wurde betont, man betrachte “die Initiative als fortlaufende Aktivität”. Die Besinnung auf die Satzung und die darin vorgesehene Einrichtung von Präsidiumsarbeitskreisen nur auf Zeit war offenbar recht selektiv gegen den Datenschutzarbeitskreis gerichtet.

Der GI-Sprecher erläutert, das Präsidium der GI (unter der ein Jahr zuvor gewählten neuen Präsidentin) habe im Januar 2023 die Entscheidung getroffen, “dass das Thema dauerhaft innerhalb der fachlichen Struktur der GI verankert werden soll und den Präsidiumsarbeitskreis 2023 ein letztes Mal um ein Jahr verlängert”. Mit der Stellungnahme des Arbeitskreise gegen eine Bargeldobergrenze und den digitalen Euro habe die Entscheidung nichts zu tun gehabt.

Der Gesellschaft für Informatik ist Datenschutz nicht mehr wichtig

11.04.2024 – Norbert Häring

11. 03. 2024 | Im November 2022 publizierte ich hier eine drastische Warnung vor Bargeldobergrenzen und Digitalem Euro des Präsidiumsarbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik (GI). Wenige Wochen später beschloss das Präsidium der GI, das bis dahin hochrangige Gremium mit Wirkung von Anfang 2024 zu einem ferner-liefen-Arbeitskreis herabzustufen. Das ist nun geschehen.

Ich war damals von einem Mitglied des GI-Arbeitskreises um Veröffentlichung der Warnung gebeten worden. Denn diese hatte in den etablierten Medien keinerlei Echo gefunden. mutmaßlich weil die Geschäftsstelle der GI die drastisch formulierte Stellungnahme nicht an die große (Presse-)Glocke gehängt hatte.

Gesellschaft für Informatik warnt: Bargeldobergrenze und digitale Währung führen zu gläsernen Bürgern
24. 11. 2022 | Die Gesellschaft für Informatik, die größte und wichtigste Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum, hat eine eindringliche Warnung vor einer Bargeldobergrenze und der Einführung einer digitalen Währung ausgesprochen. Weil sich die etablierten Medien nicht dafür erwärmen konnten, hierüber zu berichten, wurde ich gebeten, die Erklärung zu verbreiten.

Die Gesellschaft für Informatik ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Informatik. Sie ist die größte Interessenvertretung für Informatik im deutschsprachigen Raum und hat 16.000 Informatiker und 250 Unternehmen aus der Branche als Mitglieder.

Auf seiner Sitzung im Februar hat das GI-Präsidium beschlossen, den seit 1996 bestehenden Präsidiumsarbeitskreis (PAK) Datenschutz und Datensicherheit organisatorisch zu verzwergen. Wurden der Arbeitskreis und seine Stellungnahmen bisher unter den Gliederungen der Gesellschaft prominent präsentiert, muss man nun recht tief graben, um auf ihn zu stoßen. Bisher war der Vorsitzende des Arbeitskreises von Amts wegen Mitglied im Präsidium. Das ist vorbei. Auch die Stellung des Arbeitskreises gegenüber der Geschäftsstelle ist nun deutlich schwächer, etwa wenn es darum geht, ob und wie die Presse über Stellungnahmen informiert wird.

Nach Auskunft der GI hat das Präsidium die Grundsatzentscheidung zur Herabstufung des Arbeitskreises bereits im Januar 2023 getroffen.

Der Datenschutz- und IT-Sicherheitsexperte Dr. Gerhard Weck, der von der GI mit dem Ehrentitel “GI-Fellow” ausgezeichnet wurde, trat wegen der Herabstufung nach langjähriger Mitgliedschaft aus dem Arbeitskreis aus und schrieb einen Protestbrief an die Präsidentin.

Weck verweist darin auf Artikel 10 der Ethischen Leitlinien der GI, wonach jedes Mitglied durch seinen Einfluss auf die Positionierung, Vermarktung und Weiterentwicklung von IT-Systemen zu deren sozial verträglicher und nachhaltiger Verwendung beitragen solle:

“Mit der Auflösung des Arbeitskreises, der wie kaum ein anderer in der GI die Verantwortung der Informatiker in der Gesellschaft hinsichtlich eines Themas vertritt, das inzwischen eine kritische Dimension erreicht hat, stiehlt sich die GI aus eben dieser Verantwortung. (…) Eine Gesellschaft für Informatik, die es nicht mehr für notwendig hält, die heutigen Bedrohungen unserer Gesellschaft durch Angriffe auf Datenschutz und IT-Sicherheit fachlich fundiert zu behandeln, lässt aus meiner Sicht eben diese Gesellschaft im Stich und überliefert sie Interessengruppen, die möglicherweise unser Privatleben und sogar unsere Demokratie versuchen zu zerstören.”

Die seit Anfang 2022 amtierende, ehrenamtliche Präsidentin der GI, Christine Regitz, an die sich der Brief richtete, ist studierte Betriebswirtin und Physikerin und verantwortet im Hauptberuf als Head of SAP Women In Tech bei der SAP die Erhöhung der Vernetzung und Sichtbarkeit weiblicher Experten des Unternehmens.

Österreichs Regierung macht Zweck der Übung explizit

Die Herabstufung des Datenschutzes könnte eine Beispiel für das sein, von dem es in einem Teil des deutschsprachigen Raumes regierungsseitig heißt, “Datensouveränität und Datenschutz des Einzelnen”, sowie “Maßnahmen zur Förderung der Datensouveränität und des Datenschutzes sind laufend neu zu bewerten”.

Das sind Grundsätze der Digitalisierungsstrategie der österreichischen Regierung. Weitere Grundsätze, die klar machen, in welche Richtung diese Neubewertung gehen soll, heißen: “Nicht nur wenige, sondern viele unterschiedliche Akteure sollen Daten rechtskonform nützen können” und “Das Prinzip der Datensolidarität stellt sicher, dass Daten für Forschungs- und Gesundheitszwecke genutzt werden können”.

Die GI widerspricht

GI-Pressesprecher Frithjof Nagel widerspricht der Interpretation, die GI nehme den Datenschutz nicht mehr so wichtig. Man sei sich mit Weck einig, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für unsere Demokratie von unschätzbaren Wert sei und immer wieder verteidigt werden müsse. “Die Gesellschaft für Informatik misst dem Thema Datenschutz und IT-Sicherheit eine zentrale Bedeutung zu.”

Sie beziehe auch weiterhin regelmäßig Stellung zu aktuellen Entwicklungen und politischen Gesetzesvorhaben, die die IT-Sicherheit, die Informationsfreiheit und den Datenschutz betreffen. Die “Beispiele aus den vergangenen Wochen”, die er nennt, scheinen aber eher zu bestätigen, dass der Arbeitskreis Datenschutz auf das Abstellgleis geschoben wurde. Denn er wird dabei kaum einmal genannt. Aus dem Arbeitskreis selbst wird bestätigt, dass dieser trotz fachlicher Zuständigkeit mit den meisten der vom Pressesprecher genannten GI-Stellungnahmen nicht befasst war.

Der Sprecher stellt die Herabstufung des Arbeitskreises als normalen Vorgang dar, indem er betont,

“Präsidiumsarbeitskreise werden laut Satzung auf Zeit eingerichtet, um ein aktuelles Thema zu bearbeiten und anschließend zu enden. Sie müssen jedes Jahr vom Präsidium verlängert werden.”

Ein Blick auf den verbliebenen Präsidiumsarbeitskreis “Grand Challenges” lässt Zweifel an dieser Erklärung aufkommen. Diesen scheint es seit 2014 zu geben. Mehrfach, zum Beispiel 2014 und 2018, wurde betont, man betrachte “die Initiative als fortlaufende Aktivität”. Die Besinnung auf die Satzung und die darin vorgesehene Einrichtung von Präsidiumsarbeitskreisen nur auf Zeit war offenbar recht selektiv gegen den Datenschutzarbeitskreis gerichtet.

Der GI-Sprecher erläutert, das Präsidium der GI (unter der ein Jahr zuvor gewählten neuen Präsidentin) habe im Januar 2023 die Entscheidung getroffen, “dass das Thema dauerhaft innerhalb der fachlichen Struktur der GI verankert werden soll und den Präsidiumsarbeitskreis 2023 ein letztes Mal um ein Jahr verlängert”. Mit der Stellungnahme des Arbeitskreise gegen eine Bargeldobergrenze und den digitalen Euro habe die Entscheidung nichts zu tun gehabt.

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