Krise der großen Warenhäuser: „Ab 10 Prozent Mietkosten beginnt die Todeszone“

Krise der großen Warenhäuser: „Ab 10 Prozent Mietkosten beginnt die Todeszone“

03.04.2024 – the Germanz

ESSEN – Das gerade eingeleitete dritte Insolvenzverfahren gegen Galeria Karstadt Kaufhof wirft immer drängender die Frage auf, ob dieses Konzept großer Warenhäuser mit breitem Sortiment in deutschen Innenstädten noch tragfähige Grundlage für ein erfolgreiches Wirtschaften ist. Udo Kellmann ist seit 44 Jahren im Kaufhausbereich tätig, davon 41 Jahre als Geschäftsleiter. Seit 28 Jahren betreibt er ein selbständiges Warenhaus-Unternehmen in Bergisch-Gladbach. Wir wollten von Ihm wissen, warum sein Laden gut läuft…und andere nicht…

Herr Kellmann, in Essen wurde gerade das dritte Insolvenzverfahren über die Galeria Karstadt Kaufhaus-Warenhauskette eröffnet. Ist die Zeit der großen Warenhäuser mit umfangreichem Sortiment vorbei?

Herr Kelle, wir sind ja fast gleich alt. Sie kennen sicherlich noch den alten Kaufhof-Slogan „Kaufhof bietet tausendfach, alles unter einem Dach“. Diese Zeiten sind tatsächlich lange vorbei. In den 60er und 70er Jahren gab es die inhabergeführten Fachgeschäfte und daneben die großen Kaufhäuser als „one stop shopping“. Die inhabergeführten Fachgeschäfte wurden aber zum Großteil durch die filialisierten Fachgeschäftsketten ersetzt, die den Kaufhäusern in ihrem jeweilgen Sortimentsbereich da schon lange den Rang abgelaufen hatten. Als zwei Beispiele von vielen seien hier die Baumärkte und die Douglas-Parfümerien genannt.

Und dann kam vor ungefähr 20 Jahren noch Amazon und hat die Welt des stationären Einzelhandels wirklich dramatisch verändert. Als ich 1980 meine Laufbahn, damals bei Woolworth in Bottrop, begann, gab es noch die großen vier Warenhaus-Konzerne: Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten. Daneben dann noch die preiswerten Anbieter Kaufhalle und Woolworth.

Hertie, Horten und auch die Kaufhalle sind schon lange vom Markt verschwunden. Karstadt, zwischenzeitlich mit dem Kaufhof zusammengeschlossen, befindet sich gerade in der dritten Insolvenz, und auch Woolworth hat schwere Zeiten und eine Insolvenz durchmachen müssen. Also um ihre Frage zu beantworten: „Ja, die Zeit der großen Warenhäuser ist vorbei und wird auch nicht mehr wiederkommen.“

In meiner Jugend fuhren meine Eltern jeden Samstag nach Bielefeld zum Karstadt, gucken, einkaufen, Kaffee trinken. Das war ein Wochenenderlebnis für uns alle. Heue haben sich die Innenstädte verändert, bestellt wird beim Online-Handel. Wie ist es möglich, dass es bei Ihnen so gut läuft?

Nun zum einen wird ja nicht alles beim Onlinehandel bestellt, und zum anderen gilt immer in Teilbereichen das altbekannte „all business is local.“ Wenn man es schafft, sich an die Bedürfnisse seiner Kunden vor Ort anzupassen und ohne große Overhead-Kosten operieren kann, dann ist es auch heute noch möglich, rentabel zu arbeiten.

Das Problem mit großen Konzernen ist ja unter anderem auch, dass es da einen riesigen Wasserkopf gibt, große Zentralen mit vielen „Direktoren“, alle mit Dienstwagen und dicken Gehältern. Das müssen letztlich alles die Verkäuferinnen vor Ort in den Warenhäusern erwirtschaften. In meinem Kaufhaus ist das anders, es gibt einen Chef und ganz flache Strukturen. Wir stehen alle an der Front und müssen niemanden aus irgendeiner Zentrale durchfüttern.

Als Hauptgrund für die Galeria-Pleite werden die horrenden Benko-Mieten genannt. Ist es für die Betreiber von Warenhäusern besser, eigene Immobilien zu haben anstatt zu mieten?

Die eigenen vier Wände sind immer das Sicherste und Beste, auch im privaten. Aber es ist nicht zwingende Voraussetzung, um ein Warenhaus erfolgreich zu betreiben. Das Problem bei Galeria, also Karstadt/Kaufhof, waren die teilweise völlig überzogenen Mieten, díe man den Häusern aufoktroyiert hatte, um den Gewinn für die Immobilienbesitzer – vulgo Heuschrecken – zu optimieren. Im Warenhausbereich geht man von einer durchschnittlichen gesunden Mietbelastung von 5 Prozent aus, bezogen auf den Umsatz. Ab 7 Prozent wird es schwierig und ab 10 Prozent beginnt die Todeszone. Bei Galeria sollen die vereinbarten Mieten überwiegend über 10 Prozent gelegen haben, teilweise sogar bei 20 Prozent, da ist eine Insolvenz vorprogrammiert.

Aber auch bei den Galeria-Kaufhäusern gibt es ja rentable, andere rechnen sich nicht mehr. Werden die falsch geführt, oder ist das eine Frage der Innenstadtlagen?

Neben den vorgenannten horrenden Mietpreisen bei einigen Objekten verweise ich hier wieder auf die alte Weisheit „all business is local“. Was in München funktioniert, muss in Hamburg noch lange nicht zum Erfolg führen und ist in Duisburg sicherlich grottenfalsch. Konzerne neigen aber dazu, alles über einen Kamm zu scheren und Entscheidungskompetenzen – auch und vor allem über die Sortimente – an die Zentralen zu verlagern. Das funktioniert aber im richtigen Leben nur in den seltensten Fällen…

Aus Ihrer Sicht des erfolgreichen Betreibers eines solchen Warenhauses – was würden Sie den möglichen neuen Eigentümern bei Galeria Karstadt Kaufhof zur Sanierung des Ladens empfehlen?

So hart sich das jetzt auch anhören mag, aber ich glaube nicht, dass sich ein ernsthafter Interessent finden wird, der bereit ist, die Warenhausbetriebe zu übernehmen und so weiter zu betreiben. Auch Herr Berggrün hat ja weiland in 2010 (nach der ersten Karstadt-Insolvenz) das Unternehmen nur für einen einzigen symbolischen Euro erworben.

Es wird den Insolvenzverwaltern wohl in erster Linie darum gehen, die Immobilien zu verkaufen. Und die Immobilienkäufer werden schon relativ genaue Vorstellungen davon haben, was sie mit dem Objekten anstellen werden. Eine Vermietung in der der aktuellen Form, also an großflächigen Einzelhandel, dürfte da ganz weit hinten auf der Agenda stehen.

Es wird – von Einzelfällen abgesehen – eher darum gehen, die Immobilien umzustrukturieren und sie einer neuen zeitgemäßen Nutzung zuzuführen.

Das Gespräch führte Klaus Kelle.

Krise der großen Warenhäuser: „Ab 10 Prozent Mietkosten beginnt die Todeszone“

03.04.2024 – the Germanz

ESSEN – Das gerade eingeleitete dritte Insolvenzverfahren gegen Galeria Karstadt Kaufhof wirft immer drängender die Frage auf, ob dieses Konzept großer Warenhäuser mit breitem Sortiment in deutschen Innenstädten noch tragfähige Grundlage für ein erfolgreiches Wirtschaften ist. Udo Kellmann ist seit 44 Jahren im Kaufhausbereich tätig, davon 41 Jahre als Geschäftsleiter. Seit 28 Jahren betreibt er ein selbständiges Warenhaus-Unternehmen in Bergisch-Gladbach. Wir wollten von Ihm wissen, warum sein Laden gut läuft…und andere nicht…

Herr Kellmann, in Essen wurde gerade das dritte Insolvenzverfahren über die Galeria Karstadt Kaufhaus-Warenhauskette eröffnet. Ist die Zeit der großen Warenhäuser mit umfangreichem Sortiment vorbei?

Herr Kelle, wir sind ja fast gleich alt. Sie kennen sicherlich noch den alten Kaufhof-Slogan „Kaufhof bietet tausendfach, alles unter einem Dach“. Diese Zeiten sind tatsächlich lange vorbei. In den 60er und 70er Jahren gab es die inhabergeführten Fachgeschäfte und daneben die großen Kaufhäuser als „one stop shopping“. Die inhabergeführten Fachgeschäfte wurden aber zum Großteil durch die filialisierten Fachgeschäftsketten ersetzt, die den Kaufhäusern in ihrem jeweilgen Sortimentsbereich da schon lange den Rang abgelaufen hatten. Als zwei Beispiele von vielen seien hier die Baumärkte und die Douglas-Parfümerien genannt.

Und dann kam vor ungefähr 20 Jahren noch Amazon und hat die Welt des stationären Einzelhandels wirklich dramatisch verändert. Als ich 1980 meine Laufbahn, damals bei Woolworth in Bottrop, begann, gab es noch die großen vier Warenhaus-Konzerne: Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten. Daneben dann noch die preiswerten Anbieter Kaufhalle und Woolworth.

Hertie, Horten und auch die Kaufhalle sind schon lange vom Markt verschwunden. Karstadt, zwischenzeitlich mit dem Kaufhof zusammengeschlossen, befindet sich gerade in der dritten Insolvenz, und auch Woolworth hat schwere Zeiten und eine Insolvenz durchmachen müssen. Also um ihre Frage zu beantworten: „Ja, die Zeit der großen Warenhäuser ist vorbei und wird auch nicht mehr wiederkommen.“

In meiner Jugend fuhren meine Eltern jeden Samstag nach Bielefeld zum Karstadt, gucken, einkaufen, Kaffee trinken. Das war ein Wochenenderlebnis für uns alle. Heue haben sich die Innenstädte verändert, bestellt wird beim Online-Handel. Wie ist es möglich, dass es bei Ihnen so gut läuft?

Nun zum einen wird ja nicht alles beim Onlinehandel bestellt, und zum anderen gilt immer in Teilbereichen das altbekannte „all business is local.“ Wenn man es schafft, sich an die Bedürfnisse seiner Kunden vor Ort anzupassen und ohne große Overhead-Kosten operieren kann, dann ist es auch heute noch möglich, rentabel zu arbeiten.

Das Problem mit großen Konzernen ist ja unter anderem auch, dass es da einen riesigen Wasserkopf gibt, große Zentralen mit vielen „Direktoren“, alle mit Dienstwagen und dicken Gehältern. Das müssen letztlich alles die Verkäuferinnen vor Ort in den Warenhäusern erwirtschaften. In meinem Kaufhaus ist das anders, es gibt einen Chef und ganz flache Strukturen. Wir stehen alle an der Front und müssen niemanden aus irgendeiner Zentrale durchfüttern.

Als Hauptgrund für die Galeria-Pleite werden die horrenden Benko-Mieten genannt. Ist es für die Betreiber von Warenhäusern besser, eigene Immobilien zu haben anstatt zu mieten?

Die eigenen vier Wände sind immer das Sicherste und Beste, auch im privaten. Aber es ist nicht zwingende Voraussetzung, um ein Warenhaus erfolgreich zu betreiben. Das Problem bei Galeria, also Karstadt/Kaufhof, waren die teilweise völlig überzogenen Mieten, díe man den Häusern aufoktroyiert hatte, um den Gewinn für die Immobilienbesitzer – vulgo Heuschrecken – zu optimieren. Im Warenhausbereich geht man von einer durchschnittlichen gesunden Mietbelastung von 5 Prozent aus, bezogen auf den Umsatz. Ab 7 Prozent wird es schwierig und ab 10 Prozent beginnt die Todeszone. Bei Galeria sollen die vereinbarten Mieten überwiegend über 10 Prozent gelegen haben, teilweise sogar bei 20 Prozent, da ist eine Insolvenz vorprogrammiert.

Aber auch bei den Galeria-Kaufhäusern gibt es ja rentable, andere rechnen sich nicht mehr. Werden die falsch geführt, oder ist das eine Frage der Innenstadtlagen?

Neben den vorgenannten horrenden Mietpreisen bei einigen Objekten verweise ich hier wieder auf die alte Weisheit „all business is local“. Was in München funktioniert, muss in Hamburg noch lange nicht zum Erfolg führen und ist in Duisburg sicherlich grottenfalsch. Konzerne neigen aber dazu, alles über einen Kamm zu scheren und Entscheidungskompetenzen – auch und vor allem über die Sortimente – an die Zentralen zu verlagern. Das funktioniert aber im richtigen Leben nur in den seltensten Fällen…

Aus Ihrer Sicht des erfolgreichen Betreibers eines solchen Warenhauses – was würden Sie den möglichen neuen Eigentümern bei Galeria Karstadt Kaufhof zur Sanierung des Ladens empfehlen?

So hart sich das jetzt auch anhören mag, aber ich glaube nicht, dass sich ein ernsthafter Interessent finden wird, der bereit ist, die Warenhausbetriebe zu übernehmen und so weiter zu betreiben. Auch Herr Berggrün hat ja weiland in 2010 (nach der ersten Karstadt-Insolvenz) das Unternehmen nur für einen einzigen symbolischen Euro erworben.

Es wird den Insolvenzverwaltern wohl in erster Linie darum gehen, die Immobilien zu verkaufen. Und die Immobilienkäufer werden schon relativ genaue Vorstellungen davon haben, was sie mit dem Objekten anstellen werden. Eine Vermietung in der der aktuellen Form, also an großflächigen Einzelhandel, dürfte da ganz weit hinten auf der Agenda stehen.

Es wird – von Einzelfällen abgesehen – eher darum gehen, die Immobilien umzustrukturieren und sie einer neuen zeitgemäßen Nutzung zuzuführen.

Das Gespräch führte Klaus Kelle.

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