Ukraine-Krieg vor dem Showdown: Wird Russland die Hafenstadt Odessa angreifen?

Ukraine-Krieg vor dem Showdown: Wird Russland die Hafenstadt Odessa angreifen?

10.04.2024 – the Germanz

von KLAUS KELLE

BERLIN/BRÜSSEL – „Eskalationsangst im Umgang mit Diktaturen ist grundfalsch. Sie eskalieren wann sie wollen.“ Dieser Satz des mächtigen Springer-Verlegers Matthias Döpfner in einem Interview mit der NZZ ist wahr und richtig. Staatsführer wie Russlands Putin und Chinas Xi halten sich nicht an „Spielregeln“, an Völkerrecht oder Verträge. Wenn Sie stark zu sein glauben, dann betreiben Sie Machtpolitik, für die militärische Operationen natürlich immer eine Option sind.

Die Ukraine, vor über zwei Jahren von Russland angegriffen, befindet sich in einer dramatischen Lage.

Denn obwohl die Motivation der Soldaten der Ukraine beeindruckend ist, obwohl dem angegriffenen Land immer wieder erstaunliche militärische Schläge gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner in Moskau gelingen, droht die Ukraine zu verlieren.

Zu groß ist die materielle Überlegenheit an Waffen und Munition, zu geschmiert läuft die Rüstungsproduktion in Russland, und jetzt wurden weitere 150.000 russische Rekruten zum Verheizen für die Großmachtträume des Kreml eingezogen. Kann das ein gutes Ende für die Ukraine nehmen?

Die Antwort lautet Ja

…versehen mit einem Aber.

Der Schlüssel war von Anfang an und ist auch heute der Westen. Die USA, die NATO, die EU und Deutschland können die Ukraine retten und Russland stoppen. Aber um welchen Preis? Wie weit sind „wir“ bereit zu gehen?

Der Militärexperte Ralph Thiele hat jetzt gegenüber der italienischen „La Repubblica“ gesagt, dass er eine weitere Eskalation des Ukraine-Krieges erwarte. Das Momentum stehe auf Seiten Putins, dessen Armee in den vergangenen Wochen Stück für Stück vorankommt. Unter dramatischen Verlusten an Mensch und Material, aber menschenverachtende Regime wie das in Moskau hat noch nie interessiert, wie viele Menschen sterben, wenn nur das angestrebte Ziel erreicht wird.

Putin, so Thiele, könnte versuchen, das derzeit brüchige Verteidigungssystem der Ukraine für weitere multiple Angriffe zu nutzen. Und jetzt, in naher Zukunft, einen Großangriff auf die Hafenstadt Odessa zu starten. Die hat eine wichtige Funktion für die Festlandsverbindung zur Krim, die Operationsfreiheit im Schwarzen Meer und die Nutzung der Halbinsel als wirtschaftliche und militärische Basis. Der Fall Odessas würde die Ukraine von einem zentralen wirtschaftlichen und militärischen Knotenpunkt des Landes abschneiden.

Beschäftigt man sich damit im deutschen Verteidigungsministerium?

Es ist schon erstaunlich aber auch merkwürdig, dass wir zum Beispiel bei den Grünen die heftigsten Befürworter einer massiven militärischen Unterstützung der Ukraine finden, die aber über Jahrzehnte wesentliche Schuld daran auf sich geladen haben, unsere Armee und unsere Fähigkeit zur Verteidigung des eigenen Landes zu untergraben. Und jetzt fehlt es an allem, an Fähigkeiten, an Waffen, an Munition.

Ja, sie haben neue Panzer und Flugzeuge bestellt, sie übernehmen Aufgaben, wie ein 5000-Mann-Kontingent nach Litauen zu schicken, was wir uns eigentlich gar nicht leisten können. Unterdessen blockieren die Amerikaner, die angeblich so kriegslüstern sein sollen, weiter ein dringend benötigtes 60-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine. Und die NATO hamstert Milliarden, um bei einem absolut möglichen US-Präsidenten Donald Trump handlungsfähig zu bleiben, auch denn die USA ausscheren.

Mehrere europäische Staaten beschäftigen sich mit dem Gedanken, mit Truppen direkt in die Ukraine zu gehen – das würde uns, den Westen und damit Deutschland zur Kriegspartei machen. Ein Gedanke, den in den vergangenen Jahrzehnten niemand hierzulande auch nur zu denken wagte.

Beim NATO-Gipfel demnächst in Washington soll das Thema einer Mitgliedschaft der Ukraine im Bündnis wieder auf die Tagesordnung. Es gibt starke Befürworter dafür, aber das heißt ganz klar, bereit zu einem großen Krieg zu sein. Sind wir das? Wollen wir das?

Niemand, der bei Verstand ist, kann das wollen

Und dennoch müssen sich die westlichen Staaten, muss sich Deutschland auf diesen Fall vorbereiten. Fast wünsche ich mir inzwischen, dass Trump Präsident wird und tatsächlich einen Deal anzubieten hat, das Töten und Zerstören in der Ukraine zu beenden. Aber der Verzicht auf 20 Prozent oder des ganzen Landes kann der Ukraine nicht zugemutet werden, vor allem kann das nur die Ukraine selbst entscheiden. Nicht der irre Kriegsherr in Moskau, auch nicht die USA und die EU. Wenn die Ukrainer weiter gegen die Unterwerfung durch Moskau kämpfen will, dann darf der Westen, dann dürfen wir sie nicht allein lassen in diesem Kampf.

Ukraine-Krieg vor dem Showdown: Wird Russland die Hafenstadt Odessa angreifen?

10.04.2024 – the Germanz

von KLAUS KELLE

BERLIN/BRÜSSEL – „Eskalationsangst im Umgang mit Diktaturen ist grundfalsch. Sie eskalieren wann sie wollen.“ Dieser Satz des mächtigen Springer-Verlegers Matthias Döpfner in einem Interview mit der NZZ ist wahr und richtig. Staatsführer wie Russlands Putin und Chinas Xi halten sich nicht an „Spielregeln“, an Völkerrecht oder Verträge. Wenn Sie stark zu sein glauben, dann betreiben Sie Machtpolitik, für die militärische Operationen natürlich immer eine Option sind.

Die Ukraine, vor über zwei Jahren von Russland angegriffen, befindet sich in einer dramatischen Lage.

Denn obwohl die Motivation der Soldaten der Ukraine beeindruckend ist, obwohl dem angegriffenen Land immer wieder erstaunliche militärische Schläge gegen den vermeintlich übermächtigen Gegner in Moskau gelingen, droht die Ukraine zu verlieren.

Zu groß ist die materielle Überlegenheit an Waffen und Munition, zu geschmiert läuft die Rüstungsproduktion in Russland, und jetzt wurden weitere 150.000 russische Rekruten zum Verheizen für die Großmachtträume des Kreml eingezogen. Kann das ein gutes Ende für die Ukraine nehmen?

Die Antwort lautet Ja

…versehen mit einem Aber.

Der Schlüssel war von Anfang an und ist auch heute der Westen. Die USA, die NATO, die EU und Deutschland können die Ukraine retten und Russland stoppen. Aber um welchen Preis? Wie weit sind „wir“ bereit zu gehen?

Der Militärexperte Ralph Thiele hat jetzt gegenüber der italienischen „La Repubblica“ gesagt, dass er eine weitere Eskalation des Ukraine-Krieges erwarte. Das Momentum stehe auf Seiten Putins, dessen Armee in den vergangenen Wochen Stück für Stück vorankommt. Unter dramatischen Verlusten an Mensch und Material, aber menschenverachtende Regime wie das in Moskau hat noch nie interessiert, wie viele Menschen sterben, wenn nur das angestrebte Ziel erreicht wird.

Putin, so Thiele, könnte versuchen, das derzeit brüchige Verteidigungssystem der Ukraine für weitere multiple Angriffe zu nutzen. Und jetzt, in naher Zukunft, einen Großangriff auf die Hafenstadt Odessa zu starten. Die hat eine wichtige Funktion für die Festlandsverbindung zur Krim, die Operationsfreiheit im Schwarzen Meer und die Nutzung der Halbinsel als wirtschaftliche und militärische Basis. Der Fall Odessas würde die Ukraine von einem zentralen wirtschaftlichen und militärischen Knotenpunkt des Landes abschneiden.

Beschäftigt man sich damit im deutschen Verteidigungsministerium?

Es ist schon erstaunlich aber auch merkwürdig, dass wir zum Beispiel bei den Grünen die heftigsten Befürworter einer massiven militärischen Unterstützung der Ukraine finden, die aber über Jahrzehnte wesentliche Schuld daran auf sich geladen haben, unsere Armee und unsere Fähigkeit zur Verteidigung des eigenen Landes zu untergraben. Und jetzt fehlt es an allem, an Fähigkeiten, an Waffen, an Munition.

Ja, sie haben neue Panzer und Flugzeuge bestellt, sie übernehmen Aufgaben, wie ein 5000-Mann-Kontingent nach Litauen zu schicken, was wir uns eigentlich gar nicht leisten können. Unterdessen blockieren die Amerikaner, die angeblich so kriegslüstern sein sollen, weiter ein dringend benötigtes 60-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine. Und die NATO hamstert Milliarden, um bei einem absolut möglichen US-Präsidenten Donald Trump handlungsfähig zu bleiben, auch denn die USA ausscheren.

Mehrere europäische Staaten beschäftigen sich mit dem Gedanken, mit Truppen direkt in die Ukraine zu gehen – das würde uns, den Westen und damit Deutschland zur Kriegspartei machen. Ein Gedanke, den in den vergangenen Jahrzehnten niemand hierzulande auch nur zu denken wagte.

Beim NATO-Gipfel demnächst in Washington soll das Thema einer Mitgliedschaft der Ukraine im Bündnis wieder auf die Tagesordnung. Es gibt starke Befürworter dafür, aber das heißt ganz klar, bereit zu einem großen Krieg zu sein. Sind wir das? Wollen wir das?

Niemand, der bei Verstand ist, kann das wollen

Und dennoch müssen sich die westlichen Staaten, muss sich Deutschland auf diesen Fall vorbereiten. Fast wünsche ich mir inzwischen, dass Trump Präsident wird und tatsächlich einen Deal anzubieten hat, das Töten und Zerstören in der Ukraine zu beenden. Aber der Verzicht auf 20 Prozent oder des ganzen Landes kann der Ukraine nicht zugemutet werden, vor allem kann das nur die Ukraine selbst entscheiden. Nicht der irre Kriegsherr in Moskau, auch nicht die USA und die EU. Wenn die Ukrainer weiter gegen die Unterwerfung durch Moskau kämpfen will, dann darf der Westen, dann dürfen wir sie nicht allein lassen in diesem Kampf.

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