Russisch Brot

Russisch Brot

15.03.2022 – Gunnar Kaiser

Von Tarek Schwarz

Anno 2020 erklärte die ehemalige Bundesregierung, es sei Zeit, im Kampf gegen „Rassismus und Rechtextremismus“ härter durchzugreifen. Aus diesem Grund schnürte sie ein Finanzpaket in Höhe von einer Milliarde Euro. Dieses Geld solle, so Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), in den Jahren 2021 bis 2024 dafür sorgen, dass „der größten Gefahr für die Demokratie“ auf möglichst vielen Ebenen Einhalt geboten werde. Man müsse unter anderem gegen die steigende Islamfeindlichkeit kämpfen und sich um Opferschutz bemühen.

Nachdem diese Finanzspritze genehmigt wurde, fertigte der Kabinettsausschuss der Bundesregierung eine Liste mit 89 Maßnahmen an, die der Staat mithilfe dieses Geldes umsetzen sollte und soll. In der Zusammenfassung des Maßnahmenpaketes sind vier zentrale Ziele aufgelistet – das vierte davon klingt dieser Tage besonders gut:

  1. Anerkennung und Wertschätzung einer vielfältigen und chancengerechten Gesellschaft und Stärkung gleicher Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Vor 2020 hätte ich zuerst gefragt, was eine „chancengerechte“ Gesellschaft sein soll und welche Sprachpolizei beschlossen hat, dass die Wörter „Migrant“ und „Migrationshintergrund“ zu böse sind, um weiterhin benutzt zu werden. Damit setze ich mich gern in einem anderen Beitrag auseinander. Heute brennt mir die Frage auf den Nägeln:

Wie kommt die Regierung auf die Idee, sie könne Anerkennung und Wertschätzung von oben verordnen?

Wir erinnern uns: Eine Milliarde Euro für einen Zeitraum von vier Jahren. Das sind satte 250 Millionen Euro pro Jahr. Es scheint, als dächten unsere Politiker, zwischen der Größe des Finanzpaketes und dem Erfolg einer Maßnahme bestände eine unbedingte Korrelation. Einfacher ausgedrückt: Wäre Geld hier der entscheidende Faktor, müsste Deutschland schon heute sämtlichen Rassismus besiegt haben.

Objektverschiebung auf Russisch

Dass dem nicht so ist, zeigt der aktuelle Umgang mit allem Russischen. Es ist erstaunlich, wie schnell und umfassend ein Feindbild wechseln kann. War gestern noch der Ungeimpfte der leibhaftige Beelzebub, nach dem Luther mit Sicherheit auch ein zweites Tintenfass geworfen hätte, so ist es heute alles Russische.

Die Reaktionen auf Putins Angriff gegen die Ukraine sind zum Teil so absurd, dass man sich fragen muss, ob sie ernst gemeint sind. So wollen Penny, Netto, ALDI und REWE sämtliche in Russland hergestellten Produkte – Wodka eingeschlossen – aus dem Regal nehmen. Das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst verdeckte den Teil „Deutsch-Russisches“ und ließ lediglich das „Museum“ sichtbar stehen. Überdies tauschten die Betreiber die russische Landesflagge am Fahnenmast gegen die Landesflagge der Ukraine aus. Ein Bäcker hat beschlossen, seinem russischen Zupfkuchen das Russische zu nehmen und ihn lediglich als „Zupfkuchen“ anzubieten.

All diesen Aktionen liegt dieselbe Motivation zugrunde: Man will „ein Zeichen setzen“. Dabei geht es allerdings nicht um ernsthaftes pazifistisches Engagement, sondern um die Beruhigung des eigenen Gewissens durch Symbolpolitik. Wer das bezweifelt, darf sich gerne vorstellen, wie Wladimir Putin weinend in seinem Sessel sitzt, weil deutsche Handelsketten keinen Wodka mehr verkaufen. Er darf sich auch vorstellen, wie dankbar erschöpfte Ukrainer dafür sind, keinen russischen Zupfkuchen essen zu müssen. Und er darf sich vorstellen, wie das Deutsch-Russische Museum gänzlich seine Tore schließt, weil eine andere Landesflagge am Fahnenmast noch nicht dazu führt, dass auch das Innere des Museums weniger russisch wird.

Wäre es dabei geblieben, könnte man sich darüber amüsieren, eine Persiflage schreiben und den Deutschen Comedypreis gewinnen. Leider jedoch nimmt die Ausgrenzung von Russen mittlerweile ebenso drastische Züge an, wie die der Ungeimpften:

Ein Restaurant im baden-württembergischen Bietigheim verweigert etwa Menschen mit russischem Pass den Zutritt. Sie seien unerwünscht, berichtet das Lokalblatt BNN. Die Bauhaus-Universität Weimar legt aus „Solidarität“ mit der Ukraine jede Kooperation mit Russland auf Eis. Die Universität Erfurt bittet gar darum, dass sich fürs Studium eingeschriebene, russische Studenten nicht nach Deutschland begeben. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena verordnet 21 deutsch-russischen Studienprojekten eine Zwangspause und streicht sogar Forschungsreisen. Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat die finanzielle Unterstützung für Russlandprojekte gestoppt. Die Bayerische Staatsoper hat die Weltklasse-Opernsängerin Anna Netrebko entlassen, weil sie sich „nicht ausreichend von Putin distanziert“ habe.

Die russische Botschaft listet unterdessen 12 rassistische Vorkommnisse auf, die sich in den letzten Wochen gegen Russland oder Russen gerichtet haben. Ob diese Informationen stimmen, kann ich nicht beurteilen, aber ich halte sie angesichts der aktuellen Geschehnisse für realistisch:

  • Wuppertal: Natalia wurde von ihren Nachbarn als „putinsche Faschistin“ bezeichnet und empfohlen, sie solle sich aus Deutschland scheren.
  • München: Prof. Dr. Ostrud Steinlein, Direktorin des LMU Klinikums, verbreitete ein Stellungnahme, in der sie sich weigerte, russische Patienten zu behandeln.
  • Es werden Hassbriefe an Russen gemeldet, die aufgefordert werden, „die Koffer zu packen und nach Moskau abzuhauen“. Die Deutschen schreiben, die Russen würden nie zu Deutschen werden, die Integration bei Russen würde nicht gehen und ihr Platz „sei Archipel Gulag“.
  • Hamburg: Anna, Direktorin einer russischsprachigen Schule, wurde von einem aggressiven Passanten gestoßen und auf die Fahrbahn gestürzt.
  • Evgenia teilt mit, dass eine Gruppe ukrainischer LKW-Fahrer auf Facebook aufruft, den in Deutschland lebenden Russen „einen Besuch abzustatten“, und in Chats ihre Hausadressen mit Standortdaten verbreitet.
  • München: Maria, Musikerin, wurde von einer Einwohnerin während des Auftritts gefragt, ob sie keine Angst hätte, festgenommen zu werden, weil sie Russin sei.
  • Irina, eine in Deutschland lebende vierfache Mutter, wird als Faschistin beschimpft, weil sie Russin ist.
  • Inna und ihre Familienangehörigen werden von ihren deutschen Nachbarn als „dreckige Russen“ beschimpft.
  • Viktoria teilt mit, dass ihre Tochter zum Weinen gebracht wurde, als man sich im Politik-Unterricht an einer deutschen Schule zu Russland, russischen Bürgern und zum Konflikt in der Ukraine russophob äußerte. Nach dem Unterricht begannen die Mitschüler das Mädchen in Messenger-Diensten zu mobben und forderten sie auf, Farbe zu bekennen.
  • Elena teilt mit, dass ihr Sohn (9) von seinen Gleichaltrigen gemobbt wird, weil er Russisch spreche und deshalb ein Feind sei.
  • Bad Nauheim: Swetlana teilt mit, dass ihr Sohn, Schüler, Lehrerfragen zum „Krieg in der Ukraine“ „richtig“ beantworten musste, um eine gute Note im Zeugnis zu bekommen.
  • Es werden Fahrzeuge mit russischen Kennzeichen beschädigt.

Wenn Sie sich also fragen, wie viel Anerkennung und Teilhabe die bisher investierten 500 Millionen Euro „gegen Rassismus“ gebracht haben: Jetzt wissen Sie’s. Sie wissen außerdem, dass Geld nicht der ausschlaggebende Faktor ist, denn echte Anerkennung und Wertschätzung kann man weder „verordnen“ noch kaufen.

Man kann sie hingegen schnell zerstören, indem man sie für bestimmte Gruppen reserviert und somit für eigene politische Zwecke instrumentalisiert. Dann entscheiden plötzlich nicht mehr die universellen Grund- und Menschenrechte, wer Anerkennung und Wertschätzung verdient, sondern identitätspolitische Merkmale wie Gruppenzugehörigkeit, Herkunft oder politische Einstellung. Dann wird die Entscheidung, eine medizinische Behandlung abzulehnen, zum „verantwortungslosen Querdenkertum“, eine „falsche“ Herkunft wird zum Problem erklärt und man wird entlassen, weil man sich nicht ausdrücklich von einem Menschen distanziert hat, mit dem man vorsätzlich in einen Topf geworfen wurde.

Es sinkt für Sie: Das Niveau

Schimpfen Sie mich naiv, aber ich dachte tatsächlich, dass ich in Deutschland bestimmte Dinge voraussetzen kann. Zum Beispiel, dass die Fehlentscheidung eines Staatsoberhauptes (und sei sie noch so drastisch) nicht einem ganzen Volk angelastet wird. Stellen Sie sich mal vor, was hier los wäre, würde man auf diese Weise mit Deutschtürken umgehen, weil Erdogan mal wieder Mist gebaut hat! Ich dachte, dass viele Menschen sich ernsthaft Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns machen, bevor sie in hoffnungsloser Selbstüberschätzung versuchen, mit schwarzer Pädagogik in die Weltpolitik einzugreifen. Ich dachte, wir wären über den Punkt hinaus, an dem wir andere Menschen auf ein Merkmal reduzieren, das uns nicht gefällt. Ich dachte, die Deutschen wüssten, dass Erpressung entweder auf Gegenwehr oder auf die Unterdrückung von Freiheit und Vielfalt hinausläuft.

Aber offenbar ist nichts davon selbstverständlich. Im Gegenteil, die Orwellsche Umdeutung des eigenen Verhaltens setzt sich fort, und zwar in exakt derselben Manier wie bei Corona: Ausgrenzung ist „Solidarität“, Beschimpfung ist „Gerechtigkeit“, die Einengung der Sprache zeugt von „Moral“ und der Ruin kritischen Denkens wird zur „Vielfalt“ verklärt.

Fragen, Baby.

Obgleich mir nichts ferner liegt als betreutes Denken, habe ich den Eindruck, als hätten es viele Menschen nötig, denn wer denkt, dass er das Recht hat, Russen oder Russland zu verteufeln, weil Putin gerade einen Krieg angezettelt hat, der kann nicht denken. Verzeihen Sie mir daher, dass ich mich bemüßigt fühle, einige Suggestivfragen zu stellen:

  1. Lässt allein die Nationalität eines Menschen Rückschlüsse auf seine Einstellung zur aktuellen Politik seines Heimatlandes zu?
  2. Reicht eine kritische Einstellung zu sensiblen politischen Themen, um einen Menschen zu verurteilen?
  3. Ist „Haltung“ wichtiger als Wahrheitssuche?
  4. Wie wirkungsvoll ist eine „Politik der Offenheit“, wenn sie sich der Methoden „geschlossener“ Gesellschaften bedient?
  5. Sollte ein Mensch erst bestimmte „Kriterien“ erfüllen, bevor ihm dieselbe Behandlung zuteilwird, wie allen anderen?

Und schließlich:

  1. Wie heißt der Hund von Obelix? Kleiner Scherz, so etwas würde ich Sie niemals fragen, denn französische Comics sollten Sie nicht lesen, da Macron ein „Young Global Leader“ ist, der Spaß an Kriegsrhetorik hat und „die Ungeimpften anpissen“ will. Sie sollten also nie wieder Asterixhefte zur Hand nehmen, denn das macht sie zu einem Macronversteher. Tun Sie’s doch, sollten Sie sich schleunigst von Macron distanzieren, sonst könnten Sie ihre Arbeit verlieren.

Denken Sie mal drüber nach. Ich werde unterdessen eine alte Väterchen-Frost-VHS schauen, danach zu Tschaikowskys erstem Violinenkonzert weinen, folglich die besten Bilder von Iwan Schischkin bewundern, Russisch Brot knuspern und zum Einschlafen Dostojewskis „Totenhaus“ lesen.

Herzlichst

Ihr Tarek Schwarz

Russisch Brot

15.03.2022 – Gunnar Kaiser

Von Tarek Schwarz

Anno 2020 erklärte die ehemalige Bundesregierung, es sei Zeit, im Kampf gegen „Rassismus und Rechtextremismus“ härter durchzugreifen. Aus diesem Grund schnürte sie ein Finanzpaket in Höhe von einer Milliarde Euro. Dieses Geld solle, so Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), in den Jahren 2021 bis 2024 dafür sorgen, dass „der größten Gefahr für die Demokratie“ auf möglichst vielen Ebenen Einhalt geboten werde. Man müsse unter anderem gegen die steigende Islamfeindlichkeit kämpfen und sich um Opferschutz bemühen.

Nachdem diese Finanzspritze genehmigt wurde, fertigte der Kabinettsausschuss der Bundesregierung eine Liste mit 89 Maßnahmen an, die der Staat mithilfe dieses Geldes umsetzen sollte und soll. In der Zusammenfassung des Maßnahmenpaketes sind vier zentrale Ziele aufgelistet – das vierte davon klingt dieser Tage besonders gut:

  1. Anerkennung und Wertschätzung einer vielfältigen und chancengerechten Gesellschaft und Stärkung gleicher Teilhabechancen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Vor 2020 hätte ich zuerst gefragt, was eine „chancengerechte“ Gesellschaft sein soll und welche Sprachpolizei beschlossen hat, dass die Wörter „Migrant“ und „Migrationshintergrund“ zu böse sind, um weiterhin benutzt zu werden. Damit setze ich mich gern in einem anderen Beitrag auseinander. Heute brennt mir die Frage auf den Nägeln:

Wie kommt die Regierung auf die Idee, sie könne Anerkennung und Wertschätzung von oben verordnen?

Wir erinnern uns: Eine Milliarde Euro für einen Zeitraum von vier Jahren. Das sind satte 250 Millionen Euro pro Jahr. Es scheint, als dächten unsere Politiker, zwischen der Größe des Finanzpaketes und dem Erfolg einer Maßnahme bestände eine unbedingte Korrelation. Einfacher ausgedrückt: Wäre Geld hier der entscheidende Faktor, müsste Deutschland schon heute sämtlichen Rassismus besiegt haben.

Objektverschiebung auf Russisch

Dass dem nicht so ist, zeigt der aktuelle Umgang mit allem Russischen. Es ist erstaunlich, wie schnell und umfassend ein Feindbild wechseln kann. War gestern noch der Ungeimpfte der leibhaftige Beelzebub, nach dem Luther mit Sicherheit auch ein zweites Tintenfass geworfen hätte, so ist es heute alles Russische.

Die Reaktionen auf Putins Angriff gegen die Ukraine sind zum Teil so absurd, dass man sich fragen muss, ob sie ernst gemeint sind. So wollen Penny, Netto, ALDI und REWE sämtliche in Russland hergestellten Produkte – Wodka eingeschlossen – aus dem Regal nehmen. Das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst verdeckte den Teil „Deutsch-Russisches“ und ließ lediglich das „Museum“ sichtbar stehen. Überdies tauschten die Betreiber die russische Landesflagge am Fahnenmast gegen die Landesflagge der Ukraine aus. Ein Bäcker hat beschlossen, seinem russischen Zupfkuchen das Russische zu nehmen und ihn lediglich als „Zupfkuchen“ anzubieten.

All diesen Aktionen liegt dieselbe Motivation zugrunde: Man will „ein Zeichen setzen“. Dabei geht es allerdings nicht um ernsthaftes pazifistisches Engagement, sondern um die Beruhigung des eigenen Gewissens durch Symbolpolitik. Wer das bezweifelt, darf sich gerne vorstellen, wie Wladimir Putin weinend in seinem Sessel sitzt, weil deutsche Handelsketten keinen Wodka mehr verkaufen. Er darf sich auch vorstellen, wie dankbar erschöpfte Ukrainer dafür sind, keinen russischen Zupfkuchen essen zu müssen. Und er darf sich vorstellen, wie das Deutsch-Russische Museum gänzlich seine Tore schließt, weil eine andere Landesflagge am Fahnenmast noch nicht dazu führt, dass auch das Innere des Museums weniger russisch wird.

Wäre es dabei geblieben, könnte man sich darüber amüsieren, eine Persiflage schreiben und den Deutschen Comedypreis gewinnen. Leider jedoch nimmt die Ausgrenzung von Russen mittlerweile ebenso drastische Züge an, wie die der Ungeimpften:

Ein Restaurant im baden-württembergischen Bietigheim verweigert etwa Menschen mit russischem Pass den Zutritt. Sie seien unerwünscht, berichtet das Lokalblatt BNN. Die Bauhaus-Universität Weimar legt aus „Solidarität“ mit der Ukraine jede Kooperation mit Russland auf Eis. Die Universität Erfurt bittet gar darum, dass sich fürs Studium eingeschriebene, russische Studenten nicht nach Deutschland begeben. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena verordnet 21 deutsch-russischen Studienprojekten eine Zwangspause und streicht sogar Forschungsreisen. Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat die finanzielle Unterstützung für Russlandprojekte gestoppt. Die Bayerische Staatsoper hat die Weltklasse-Opernsängerin Anna Netrebko entlassen, weil sie sich „nicht ausreichend von Putin distanziert“ habe.

Die russische Botschaft listet unterdessen 12 rassistische Vorkommnisse auf, die sich in den letzten Wochen gegen Russland oder Russen gerichtet haben. Ob diese Informationen stimmen, kann ich nicht beurteilen, aber ich halte sie angesichts der aktuellen Geschehnisse für realistisch:

  • Wuppertal: Natalia wurde von ihren Nachbarn als „putinsche Faschistin“ bezeichnet und empfohlen, sie solle sich aus Deutschland scheren.
  • München: Prof. Dr. Ostrud Steinlein, Direktorin des LMU Klinikums, verbreitete ein Stellungnahme, in der sie sich weigerte, russische Patienten zu behandeln.
  • Es werden Hassbriefe an Russen gemeldet, die aufgefordert werden, „die Koffer zu packen und nach Moskau abzuhauen“. Die Deutschen schreiben, die Russen würden nie zu Deutschen werden, die Integration bei Russen würde nicht gehen und ihr Platz „sei Archipel Gulag“.
  • Hamburg: Anna, Direktorin einer russischsprachigen Schule, wurde von einem aggressiven Passanten gestoßen und auf die Fahrbahn gestürzt.
  • Evgenia teilt mit, dass eine Gruppe ukrainischer LKW-Fahrer auf Facebook aufruft, den in Deutschland lebenden Russen „einen Besuch abzustatten“, und in Chats ihre Hausadressen mit Standortdaten verbreitet.
  • München: Maria, Musikerin, wurde von einer Einwohnerin während des Auftritts gefragt, ob sie keine Angst hätte, festgenommen zu werden, weil sie Russin sei.
  • Irina, eine in Deutschland lebende vierfache Mutter, wird als Faschistin beschimpft, weil sie Russin ist.
  • Inna und ihre Familienangehörigen werden von ihren deutschen Nachbarn als „dreckige Russen“ beschimpft.
  • Viktoria teilt mit, dass ihre Tochter zum Weinen gebracht wurde, als man sich im Politik-Unterricht an einer deutschen Schule zu Russland, russischen Bürgern und zum Konflikt in der Ukraine russophob äußerte. Nach dem Unterricht begannen die Mitschüler das Mädchen in Messenger-Diensten zu mobben und forderten sie auf, Farbe zu bekennen.
  • Elena teilt mit, dass ihr Sohn (9) von seinen Gleichaltrigen gemobbt wird, weil er Russisch spreche und deshalb ein Feind sei.
  • Bad Nauheim: Swetlana teilt mit, dass ihr Sohn, Schüler, Lehrerfragen zum „Krieg in der Ukraine“ „richtig“ beantworten musste, um eine gute Note im Zeugnis zu bekommen.
  • Es werden Fahrzeuge mit russischen Kennzeichen beschädigt.

Wenn Sie sich also fragen, wie viel Anerkennung und Teilhabe die bisher investierten 500 Millionen Euro „gegen Rassismus“ gebracht haben: Jetzt wissen Sie’s. Sie wissen außerdem, dass Geld nicht der ausschlaggebende Faktor ist, denn echte Anerkennung und Wertschätzung kann man weder „verordnen“ noch kaufen.

Man kann sie hingegen schnell zerstören, indem man sie für bestimmte Gruppen reserviert und somit für eigene politische Zwecke instrumentalisiert. Dann entscheiden plötzlich nicht mehr die universellen Grund- und Menschenrechte, wer Anerkennung und Wertschätzung verdient, sondern identitätspolitische Merkmale wie Gruppenzugehörigkeit, Herkunft oder politische Einstellung. Dann wird die Entscheidung, eine medizinische Behandlung abzulehnen, zum „verantwortungslosen Querdenkertum“, eine „falsche“ Herkunft wird zum Problem erklärt und man wird entlassen, weil man sich nicht ausdrücklich von einem Menschen distanziert hat, mit dem man vorsätzlich in einen Topf geworfen wurde.

Es sinkt für Sie: Das Niveau

Schimpfen Sie mich naiv, aber ich dachte tatsächlich, dass ich in Deutschland bestimmte Dinge voraussetzen kann. Zum Beispiel, dass die Fehlentscheidung eines Staatsoberhauptes (und sei sie noch so drastisch) nicht einem ganzen Volk angelastet wird. Stellen Sie sich mal vor, was hier los wäre, würde man auf diese Weise mit Deutschtürken umgehen, weil Erdogan mal wieder Mist gebaut hat! Ich dachte, dass viele Menschen sich ernsthaft Gedanken über die Konsequenzen ihres Handelns machen, bevor sie in hoffnungsloser Selbstüberschätzung versuchen, mit schwarzer Pädagogik in die Weltpolitik einzugreifen. Ich dachte, wir wären über den Punkt hinaus, an dem wir andere Menschen auf ein Merkmal reduzieren, das uns nicht gefällt. Ich dachte, die Deutschen wüssten, dass Erpressung entweder auf Gegenwehr oder auf die Unterdrückung von Freiheit und Vielfalt hinausläuft.

Aber offenbar ist nichts davon selbstverständlich. Im Gegenteil, die Orwellsche Umdeutung des eigenen Verhaltens setzt sich fort, und zwar in exakt derselben Manier wie bei Corona: Ausgrenzung ist „Solidarität“, Beschimpfung ist „Gerechtigkeit“, die Einengung der Sprache zeugt von „Moral“ und der Ruin kritischen Denkens wird zur „Vielfalt“ verklärt.

Fragen, Baby.

Obgleich mir nichts ferner liegt als betreutes Denken, habe ich den Eindruck, als hätten es viele Menschen nötig, denn wer denkt, dass er das Recht hat, Russen oder Russland zu verteufeln, weil Putin gerade einen Krieg angezettelt hat, der kann nicht denken. Verzeihen Sie mir daher, dass ich mich bemüßigt fühle, einige Suggestivfragen zu stellen:

  1. Lässt allein die Nationalität eines Menschen Rückschlüsse auf seine Einstellung zur aktuellen Politik seines Heimatlandes zu?
  2. Reicht eine kritische Einstellung zu sensiblen politischen Themen, um einen Menschen zu verurteilen?
  3. Ist „Haltung“ wichtiger als Wahrheitssuche?
  4. Wie wirkungsvoll ist eine „Politik der Offenheit“, wenn sie sich der Methoden „geschlossener“ Gesellschaften bedient?
  5. Sollte ein Mensch erst bestimmte „Kriterien“ erfüllen, bevor ihm dieselbe Behandlung zuteilwird, wie allen anderen?

Und schließlich:

  1. Wie heißt der Hund von Obelix? Kleiner Scherz, so etwas würde ich Sie niemals fragen, denn französische Comics sollten Sie nicht lesen, da Macron ein „Young Global Leader“ ist, der Spaß an Kriegsrhetorik hat und „die Ungeimpften anpissen“ will. Sie sollten also nie wieder Asterixhefte zur Hand nehmen, denn das macht sie zu einem Macronversteher. Tun Sie’s doch, sollten Sie sich schleunigst von Macron distanzieren, sonst könnten Sie ihre Arbeit verlieren.

Denken Sie mal drüber nach. Ich werde unterdessen eine alte Väterchen-Frost-VHS schauen, danach zu Tschaikowskys erstem Violinenkonzert weinen, folglich die besten Bilder von Iwan Schischkin bewundern, Russisch Brot knuspern und zum Einschlafen Dostojewskis „Totenhaus“ lesen.

Herzlichst

Ihr Tarek Schwarz

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