Karl Reitter: Gemeinsam die Welt retten  Vom Klimaalarm zum Green New Deal

Karl Reitter: Gemeinsam die Welt retten Vom Klimaalarm zum Green New Deal

25.04.2024 – Norbert Häring

24. 04. 2024 | Der österreichische Ökonom Karl Reitter tat das, wozu mir die Zeit fehlt. “Von einem der auszog, sich im Dschungel der Klimadebatte zu orientieren”, heißt das erste Kapitel. Ich habe es daher mit Interesse und Gewinn gelesen. Zwar überzeugt mich seine marxistisch inspirierte Schlussfolgerung zu den tieferen Gründen der vermurksten Debatte nicht vollständig, aber seine Analyse hat mich zu einer verwandten These geführt.

Promedia-Verlag. Taschenbuch 25€. E-Book 19,99€

Reitters Ausgangshypothese lautet, dass die menschlichen Aktivitäten der letzten 150 Jahre sicherlich einen merklichen Einfluss auf das Klima gehabt haben und weiter haben werden, dass aber als offen und frei zu debattieren betrachtet werden muss, wie groß der menschliche Anteil im Verhältnis zu natürlichen Veränderungen und Zyklen des Klimas ist. Darin konnte ich mich gut wiederfinden.

Ich will hier nicht im einzelnen nachzeichnen, was der Autor auf seiner Forschungsreise durch die einschlägige Literatur herausfindet, da ich mir nicht zutraue, das besser auf den Punkt zu bringen als er selbst. Er gibt sehr interessante Einblicke in die Interessen und Methoden der Akteure, etwa wie beim Weltklimarat IPCC gearbeitet wird, der als wissenschaftliches Maß aller Dinge gilt, oder beim Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Augenöffnend sind auch die Passagen dazu, wie der behauptete 97-Prozent-Konsens in der Klimaforschung fabriziert wurde und was Klimaforschung eigentlich ist.

Reitter geht auch mit der inzwischen wissenschaftlich diskreditierten Hockey-Stick-These ins Gericht, die immer noch die öffentliche Wahrnehmung bestimmt, und mit den Klima-Kipppunkten, für die die Belege fehlen. Auch, dass die Klimamodellierung auf sehr viel wackligeren Beinen steht als das in der Öffentlichkeit dargestellt wird, belegt er überzeugend.

Seine Ausführungen zu den natürlichen Klimaschwankungen und deren Ursachen klingen für mich als Laie recht plausibel, kann ich aber im Detail nicht beurteilen. Zwingend finde ich jedoch seine Schlussfolgerung aus diesem Teil. Dass der sogenannte Klimakonsens davon ausgeht, dass der Klimawandel seit 1850 und in künftigen Jahrzehnten nur oder fast nur menschengemacht ist, ist eine ausgesprochen unplausible Setzung. Denn das bedeutet, dass man all die natürlichen Einflüsse, wie etwa Sonnenintensität, die über die Jahrtausende nachweislich große Klimaveränderungen herbeigeführt haben, ab Beginn der Industrialisierung einfach auf Null setzt.

Wenn man aber auf diese unplausible Setzung verzichtet, dann darf man nicht jeden, der sich wissenschaftlich mit dem Einfluss solcher Faktoren befasst und einen Beitrag zur aktuellen Klimaerwärmung feststellt, nicht als Klimaleugner beschimpfen und ausgrenzen. Genau das aber geschieht in allen Facetten, bis hin zu den wissenschaftlichen Fachzeitschriften, wie Reitter zeigt.

Warum tun die Mächtigen das

Als Marxist ist Reitter darauf geeicht, die Frage nach den tieferen Gründen dafür zu stellen, dass die Regierungen, die Konzerne und deren Lobbies plötzlich alle das Klima im Munde führen und teure Gegenmaßnahmen befürworten, die vielen Branchen große Schwierigkeiten machen.

Als Nicht-Marxist fällt es mir allerdings schwer, ihm dabei zu folgen. Er sieht das ganze – wie bei Marxisten üblich – durch die Brille der abnehmenden Profitrate. Danach braucht das unterbeschäftigte Kapital ein riesiges, staatlich finanziertes Investitionsprogramm, und der Green New Deal stelle genau das dar. Das viele Geld, das die Bevölkerung und der Staat dafür ausgeben muss, macht den Konzernen nichts aus, im Gegenteil, es macht sie reicher.

Ich habe in Problem mit dieser Argumentation. Sie erscheint mir etwas zu oberflächlich. Denn es wird nicht hinterfragt, warum genau das Klima ausgewählt wurde, um alles umzukrempeln und eine Investitionsoffensive zu starten. Falls es tatsächlich ein Problem mit der Nachfrage gibt, so ist an Möglichkeiten zur Ressourcenvernichtung kein Mangel und diese werden auch äußerst rege genutzt. Man denke vor allem an Militär und Rüstung, die kein materielles Bedürfnis der Bevölkerung befriedigen, aber extrem viele Ressourcen verschlingen und enorm hohe Profite produzieren – so hohe, dass die westlichen Rüstungsfirmen gegenüber den russischen nicht wettbewerbsfähig sind.

Dass Reitter auf dem Weg zu seiner Schlussfolgerung auch noch den Beitrag der Reichen und Superreichen zum exzessiven Ressourcenverbrauch der Menschheit kleinschreibt und behauptet, dass die heraufziehende globale Rohstoffknappheit eine Schimäre sei, hat mich nicht überzeugt, aber das mag an meinen hartnäckigen, vorgefassten Meinung liegen.

Auch mag ich mich nicht mit der These anfreunden, Konflikte zwischen verschiedenen Fraktionen des Großkapitals gäbe es nicht in relevantem Maße. Ich habe demgegenüber stark den Eindruck, dass die tiefen politischen Gräben in den USA davon mitgeprägt sind, und dass in der Klimadebatte durchaus die neuen kapitalistischen Superstars der Tech-Szene mit dem Großkapital der Old Economy konkurrieren. Ich kann mich täuschen.

class=”einbetten” CO2 als weiteres Maß aller Dinge (neben dem Geld)

Die letzten Seiten des Buches will ich hier als Leseprobe (etwas gekürzt) wiedergeben, weil sie mir zu etwas verholfen haben, was ich für einen Erkenntnisfortschritt halte. Dazu mehr am Ende der Leseprobe.

“CO2, das Maß aller Dinge

Versetzen wir uns in die Gedankenwelt jener, die allen Ernstes meinen, das Schicksal der Welt hinge vollständig von der Konzentration der Treibhausgase ab. Wenn eine Zahl, nämlich die Ppm-Konzentration von CO2 in der Atmosphäre, tatsächlich über das Schicksal der Menschheit entscheidet, dann ist diese Zahl alles, sie ist die Wahrheit unserer planetaren Existenz. Die CO 2-Konzentration wird zum Maß aller Dinge.

Ob Menschen oder Tiere, ob Land oder Stadt, ob Pflanzen, Wälder oder Siedlungsräume, alles wird danach beurteilt, ob dadurch die eine, alles entscheidende Zahl steigt oder sinkt. Der Welt wird ein Zahlenkleid übergeworfen, und diese nackten Zahlen sind realer als das, was sie messen. Die Messung ist realer als das Gemessene, weil sie das tatsächliche Schicksal des Planeten anzeigt.

Nur wer die Augen vor der Gefährdung des Planeten verschließt, für den bleibt eine Kuh eine Kuh, ein Baum ein Baum, ein Meer ein Meer und ein Mensch ein Mensch. Wer sich jedoch der planetarischen Verantwortung bewusst wird, begreift, dass jede Steigerung der Zahl zur irreversiblen Katastrophe führen wird. Alle Katastrophen, die gegenwärtigen und die zukünftigen, alle extremen Wetterereignisse und alle zukünftigen Überflutungen, Waldbrände, Dürren, kurzum die künftige Unbewohnbarkeit der Welt ist letztlich durch diese eine Zahl bestimmt.

Wer dies erkennt, weiß: Eine Kuh ist keine Kuh, sondern ein Emittent von Treibhausgasen, ein Baum ist kein Baum, sondern eine CO2-Senke, ebenso die Ozeane, und ein Mensch ist unabdingbar eine problematische CO2-Größe. Diese Denkweise ist in geradezu unheimlicher Präzision im Plan »Fit für 55« der EU verwirklicht. Zusätzlich zu den im vorherigen Kapitel genannten Themenbereichen gibt es auch Aussagen zu Land- und Forstwirtschaft. Dieser Teilplan trägt das bürokratische Abkürzungsmonster LULUCF-Verordnung, was so viel wie »Land Use, Land Use Change and Forestry« bedeutet. Und was ist ein Wald, was ist ein Moor, was ein Feuchtgebiet? Für die EU eine CO2-Senke.

Unter diesem Gesichtspunkt, und nur unter diesem, werden Wald, Moor und Feuchtgebiete thematisiert. Alles, was nicht durch das Maß aller Dinge zu messen ist, verfehlt das eigentliche Ziel, das Ziel aller Ziele, nämlich die Senkung der magischen Zahl berechenbar zu machen. Jede Maßnahme, jede Aktivität, die nicht am Maß aller Dinge gemessen werden kann, ist vergebens.

Küstenschutz durch Dammbauten gibt es in Norddeutschland seit über 100 Jahren, warum also nicht auch zum Beispiel in Bangladesch? Hitze- aber auch Kältewellen können durch Klimaanlagen und Heizungen gemildert werden. Schwammstädte können das Regenwasser länger speichern, ebenso trägt eine Entsiegelung des Bodens dazu bei, starke Regenfälle für eine Erhöhung des Grundwasserspiegels zu nutzen. Gebiete, die unter geringerem Niederschlag leiden, könnten durch hunderte Kilometer lange Pipelines mit Wasser versorgt werden. Städte können auf vielfache Weise abgekühlt werden.

Doch solche Maßnahmen lenkten letztlich nur davon ab, was wirklich zu tun sei. Sie sind letztlich nutzlos, weil nicht erkannt wird, dass alles in Wahrheit eine Zahl ist und alles davon abhängt, ob diese Zahl steigt oder sinkt. Wer sich nicht in die Schar jener einreiht, die das Maß aller Dinge zum Maßstab alles Handeln erhoben hat, ist verdächtig. (…)

Als ob alles, was sich nicht am Maß aller Dinge messen lässt, zu einem anderen Universum gehören würde. In dieses vormathematische Universum der Dinge fällt dann zum Beispiel eine Aussage wie diese : »Klimapolitik als Mittel zur Bekämpfung des Hungers in der Welt ist schlichtweg ungeheuer ineffizient.« (Lomborg 2009, 149) Sie macht in der Welt des wahren Maßes keinen Sinn, denn die Bekämpfung des Hungers ist eine Sache, die Rettung der Welt eine andere.

(…) Die Erkenntnis, dass die Auflösung der Welt in Zahlen und Formeln diese in sinnlicher Fülle und materieller Realität auslöscht, ist keineswegs neu. Wirft man der Natur ein Zahlenkleid über, schlüpft die Wirklichkeit zwischen den Maschen hindurch. Dieses Motiv findet sich auch in der Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno und ebenso in der klassischen Gesellschaftskritik von Herbert Marcuse, unter anderem in seinem Buch Der eindimensionale Mensch, der sich in dieser Frage wiederum am französischen Philosophen Merleau-Ponty orientiert.

Man muss allerdings zwischen der Mathematisierung von konkreten Gegenständen und Prozessen und der Zahl als dem primären Weltzugang unterscheiden. Berechne ich die Stützmauern eines Hauses, so abstrahiere ich wohl von ästhetischen, lebenspraktischen Aspekten und den Bedürfnissen der BenutzerInnen. Diese Reduktion des Konkreten auf Zahlen ist zweifellos angebracht, soll das Gebäude nicht zusammenstürzen. Von der Entwicklung der Dampfmaschine bis zur Konstruktion von Computern beweist sich ununterbrochen die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens.

Davon ist ein Weltzugang zu unterscheiden, dem die Zahl zum einzigen Maß der Dinge wird. Das Reich der Vernunft beschränkt sich dann auf das Reich der Zahlen ; als rational und vernünftig gilt, was sich in mathematischen Formeln darstellen und berechnen lässt. Die Zahl wird zum Fetisch, verkörpert in Rankings, IQs und Klassifikationen. Was sich nicht in Zahlen darstellen lässt, existiert nicht. (…)

Insofern macht die Aussage, CO2 zum Maß aller Dinge zu machen, führe zu »kultureller, symbolischer und epistemischer Gewalt«, durchaus Sinn. Die unbestrittene, vom IPCC über die Staatskanzleien bis zur Klimabewegung hegemoniale Orientierung ist geradezu ein Musterbeispiel für den Triumph der Mathematisierung der Natur. Auch die AutorInnen der Studie sehen sehr klar, dass die Zahl als Maß aller Dinge weit über eine bloße Berechnung der Welt hinausgeht und in praktisches Verhalten umschlagen muss. »Ein metrischer [in Zahlen messender] Verstand erfordert eine metrische Geisteshaltung, eine eigene Denkweise, mit der sich die Welt in Form von Zahlen begreifen lässt.(…)

Das kennen wir doch

Aber warum ist uns die Thematisierung der Welt durch einen einzigen Maßstab so vertraut? Warum scheint es einzuleuchten, dass CO2 tatsächlich das Maß aller Dinge ist, jene Zahl, deren Minderung nicht nur den Planeten rettet, sondern zahlreiche Probleme wie Hunger, Krieg, Krankheiten, wirtschaftliche Krisen, schwindende Artenvielfalt usw. angeblich entschärft?

Weil es diese Zahl schon längst gibt und wir tagtäglich damit rechnen. Es ist das Geld, das Maß aller Dinge. Eine Wiese ist keine Wiese, sondern ein Grundstück mit Marktwert. Eine Kuh ist keine Kuh, sondern einige Kilogramm Fleisch mit unterschiedlicher Qualität, die unterschiedliche Preise ermöglichen. Die bunte Warenwelt ist in Wirklichkeit nur Träger von Geldwerten. Marx zeigt gleich zu Beginn seines Hauptwerkes Das Kapital, dass alle Dinge an einem einzigen Maßstab gemessen werden. Es ist dies sehr vereinfacht gesagt das Geld; alles hat so seinen Preis.

Doch dabei bleibt es nicht, der Zweck des Kapitals besteht darin, sich zu vermehren, aus Geld noch mehr Geld zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt verwandelt sich alles in Geldwerte, die als solche in die Kalkulation eingehen. Auch die Menschen werden so zu Kostenfaktoren. Das Kapital prüft die Arbeitskraft und versucht sie Gewinn maximierend einzusetzen.

Die Homologie (Ähnlichkeit im Bauplan; N.H.) zwischen CO2 als Maß aller Klimadinge und dem Geld als Maß aller Wirtschaftsdinge ist verblüffend. Sowohl die CO2-Monisten wie auch die KapitalbesitzerInnen behandeln die Dinge, Menschen, Landschaften, Wälder und Wiesen, als wäre ihr wahres Wesen eine Zahl. Es ist derselbe Weltzugang, der sich von der bunten Oberfläche der Dinge nicht täuschen lässt und auf den Rechengrößen als ihren wirklichen, entscheidenden Kern beharrt.

Das Konkrete wird dem Abstrakten untergeordnet. Man weiß, in Wirklichkeit besteht die Welt aus Zahlen. Ist das Kapital daran interessiert, wie profitabel die Produktion ist und welche Waren sich besonders gut verkaufen, so fragen die Alarmisten danach, was sich besonders gut zur Emissionssenkung eignet und was nicht.

Einen Unterschied gibt es jedoch. Die Prinzipien stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander. Vom einen soll es möglichst wenig, vom anderen möglichst viel geben. Aber auch hier zeigt sich eine geradezu verblüffende Wahlverwandtschaft. Beide Kalküle, das Weniger des einen und das Mehr des anderen, tendieren zu einer schrankenlosen Umsetzung. Widerstand soll nicht geduldet werden. Wer sich der Rationalität der Berechnung nicht unterordnet, wird moralisch verurteilt und mit Zwangsmaßnahmen bedroht. Profit wird ohne zu zögern auch mit Gewalt herausgepresst. Ebenso zögern nicht wenige innerhalb der Klimabewegung für Zwangsmaßnahmen zu plädieren, manche erwägen sogar eine Klimadiktatur.

Es ist eine Illusion zu meinen, die Reduktion des CO2-Gehalts stünde im Widerspruch zur Vermehrung des Geldes. Entweder das eine oder das andere? Es gibt wohl Stimmen aus der Wirtschaft, die befürchten, der Green New Deal würde zu höheren Rohstoff- und Energiepreisen führen, die die Wettbewerbsfähigkeit ihres Geschäftes mindern würden. Ebenso gibt es innerhalb der Klimabewegung Strömungen, die fest davon überzeugt sind, die Reduktion von CO2 sei mit dem Kapitalismus nicht zu machen. Das mag im Detail zutreffen, aber in Wahrheit harmonieren beide Kalküle bestens miteinander. Beiden ist die reale, raumzeitliche Welt nur das Mittel, nicht der Zweck. Es vereint derselbe Weltzugang, nämlich die konkrete, raumzeitliche Mannigfaltigkeit einem einzigen Maß zu unterwerfen.

Man sollte herrschende Kreise nicht unterschätzen. Was sich aus der Perspektive eines kleinen mittelständigen Unternehmens als Problem darstellen mag, so man nicht in der Sparte der erneuerbaren Energieproduktion tätig ist, stellt sich aus der Perspektive der großen Konzerne als Chance dar. Das Kapital hat längst begriffen, dass sich die Steigerung des Profits wunderbar in die Senkung von CO2 fügt. Es kann im Prinzip, sich einem einzigen Maß aller Dinge zu verschreiben, nichts Bedrohliches finden, es ist doch auch sein Prinzip: Die vielfältigen Interessen und Bedürfnisse der Menschen sollen den Berechnungen untergeordnet werden.

Erklären die einen höhere Löhne als wirtschaftlich schädlich und günstige Wohnungen als ökonomisch unvernünftig, so die anderen das Bedürfnis nach einer warmen Wohnung oder gar nach Fernreisen als unverantwortlich und klimaschädlich. Das eigene Prinzip der Verwandlung der Welt in das Maß aller Dinge, den Preisen einerseits und der CO2-Emission andererseits, soll gesellschaftlich verpflichtend werden. Die Menschen haben sich dem Kalkül der Zahlen zu unterwerfen.”

Meine Schlussfolgerung

Mich führen diese klugen Ausführungen zu dem Gedanken, dass es beim Schüren der CO2-Hysterie und der Fokussierung der Klima- und Umweltdebatte allein auf CO2 um das gehen könnte, worum es dem Kapitalismus schon immer geht: seinen Machtbereich zu erweitern. Nachdem alle Länder der Welt der Kapitalverwertungslogik bereits unterworfen sind, sind nun die Bereiche an der Reihe, wo es bisher noch hakt, die gesamte Natur nämlich. Was keinen Preis in Geld hat, bekommt einen Preis in CO2-Äquivalenten und darüber dann letztlich auch wieder in Geld.

So kann die gesamte natürliche Umwelt in das marktwirtschaftliche Knappheits- und Handelssystem einbezogen werden und damit Gewinne generieren.

Anders als Reitter gehe ich außerdem davon aus, dass die Mächtigen der Welt sich schon lange Sorgen machen, dass die Rohstoffe der Welt für sie und ihre Länder sehr knapp und teuer werden, wenn Länder wie China und Indien, mit drei Milliarden Menschen, weiter ein so starkes Wirtschaftswachstum aufweisen. Ein CO2-Regime, dessen Grundsätze sie bestimmen und verändern können, soll möglicherweise als Instrument dienen, den Ressourcenstrom in die eigene Richtung zu lenken.

Hier denke ich zum einen an die USA, die Meister darin sind, die Welt mit Grundsätzen zu überziehen, die dann für alle gelten, außer die USA. Das ist auch in der Klimafrage schon lange so. Der Club of Rome war ein Kind der Rockefellers und hat viel dazu beigetragen, dass die Europäer sehr viel weniger Ressourcen beanspruchen als die US-Amerikaner und diese erheblich teuer bezahlen. Klimaabkommen treiben die USA zwar eifrig voran, aber oft machen sie dann nicht mit, und wenn, dann mit sehr viel weniger Eifer als die Europäer.

Zum anderen betrifft das den Gegensatz zwischen den (reichen) Eliten und den Übrigen. Die CO2-Ideologie ist bestens geeignet, der Masse der Menschen größere Bescheidenheit aufzuzwingen, ohne dass das als Klassenkampf von oben erkennbar wird. Zu den Privilegien der Eliten gehört, dass sie ihren eigenen Luxuskonsum entweder verbergen oder mit Hilfe freundlicher Medien als Ausweis ihrer Macht und Großartigkeit erscheinen lassen können.

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Reitter geht auch mit der inzwischen wissenschaftlich diskreditierten Hockey-Stick-These ins Gericht, die immer noch die öffentliche Wahrnehmung bestimmt, und mit den Klima-Kipppunkten, für die die Belege fehlen. Auch, dass die Klimamodellierung auf sehr viel wackligeren Beinen steht als das in der Öffentlichkeit dargestellt wird, belegt er überzeugend.

Seine Ausführungen zu den natürlichen Klimaschwankungen und deren Ursachen klingen für mich als Laie recht plausibel, kann ich aber im Detail nicht beurteilen. Zwingend finde ich jedoch seine Schlussfolgerung aus diesem Teil. Dass der sogenannte Klimakonsens davon ausgeht, dass der Klimawandel seit 1850 und in künftigen Jahrzehnten nur oder fast nur menschengemacht ist, ist eine ausgesprochen unplausible Setzung. Denn das bedeutet, dass man all die natürlichen Einflüsse, wie etwa Sonnenintensität, die über die Jahrtausende nachweislich große Klimaveränderungen herbeigeführt haben, ab Beginn der Industrialisierung einfach auf Null setzt.

Wenn man aber auf diese unplausible Setzung verzichtet, dann darf man nicht jeden, der sich wissenschaftlich mit dem Einfluss solcher Faktoren befasst und einen Beitrag zur aktuellen Klimaerwärmung feststellt, nicht als Klimaleugner beschimpfen und ausgrenzen. Genau das aber geschieht in allen Facetten, bis hin zu den wissenschaftlichen Fachzeitschriften, wie Reitter zeigt.

Warum tun die Mächtigen das

Als Marxist ist Reitter darauf geeicht, die Frage nach den tieferen Gründen dafür zu stellen, dass die Regierungen, die Konzerne und deren Lobbies plötzlich alle das Klima im Munde führen und teure Gegenmaßnahmen befürworten, die vielen Branchen große Schwierigkeiten machen.

Als Nicht-Marxist fällt es mir allerdings schwer, ihm dabei zu folgen. Er sieht das ganze – wie bei Marxisten üblich – durch die Brille der abnehmenden Profitrate. Danach braucht das unterbeschäftigte Kapital ein riesiges, staatlich finanziertes Investitionsprogramm, und der Green New Deal stelle genau das dar. Das viele Geld, das die Bevölkerung und der Staat dafür ausgeben muss, macht den Konzernen nichts aus, im Gegenteil, es macht sie reicher.

Ich habe in Problem mit dieser Argumentation. Sie erscheint mir etwas zu oberflächlich. Denn es wird nicht hinterfragt, warum genau das Klima ausgewählt wurde, um alles umzukrempeln und eine Investitionsoffensive zu starten. Falls es tatsächlich ein Problem mit der Nachfrage gibt, so ist an Möglichkeiten zur Ressourcenvernichtung kein Mangel und diese werden auch äußerst rege genutzt. Man denke vor allem an Militär und Rüstung, die kein materielles Bedürfnis der Bevölkerung befriedigen, aber extrem viele Ressourcen verschlingen und enorm hohe Profite produzieren – so hohe, dass die westlichen Rüstungsfirmen gegenüber den russischen nicht wettbewerbsfähig sind.

Dass Reitter auf dem Weg zu seiner Schlussfolgerung auch noch den Beitrag der Reichen und Superreichen zum exzessiven Ressourcenverbrauch der Menschheit kleinschreibt und behauptet, dass die heraufziehende globale Rohstoffknappheit eine Schimäre sei, hat mich nicht überzeugt, aber das mag an meinen hartnäckigen, vorgefassten Meinung liegen.

Auch mag ich mich nicht mit der These anfreunden, Konflikte zwischen verschiedenen Fraktionen des Großkapitals gäbe es nicht in relevantem Maße. Ich habe demgegenüber stark den Eindruck, dass die tiefen politischen Gräben in den USA davon mitgeprägt sind, und dass in der Klimadebatte durchaus die neuen kapitalistischen Superstars der Tech-Szene mit dem Großkapital der Old Economy konkurrieren. Ich kann mich täuschen.

class=”einbetten” CO2 als weiteres Maß aller Dinge (neben dem Geld)

Die letzten Seiten des Buches will ich hier als Leseprobe (etwas gekürzt) wiedergeben, weil sie mir zu etwas verholfen haben, was ich für einen Erkenntnisfortschritt halte. Dazu mehr am Ende der Leseprobe.

“CO2, das Maß aller Dinge

Versetzen wir uns in die Gedankenwelt jener, die allen Ernstes meinen, das Schicksal der Welt hinge vollständig von der Konzentration der Treibhausgase ab. Wenn eine Zahl, nämlich die Ppm-Konzentration von CO2 in der Atmosphäre, tatsächlich über das Schicksal der Menschheit entscheidet, dann ist diese Zahl alles, sie ist die Wahrheit unserer planetaren Existenz. Die CO 2-Konzentration wird zum Maß aller Dinge.

Ob Menschen oder Tiere, ob Land oder Stadt, ob Pflanzen, Wälder oder Siedlungsräume, alles wird danach beurteilt, ob dadurch die eine, alles entscheidende Zahl steigt oder sinkt. Der Welt wird ein Zahlenkleid übergeworfen, und diese nackten Zahlen sind realer als das, was sie messen. Die Messung ist realer als das Gemessene, weil sie das tatsächliche Schicksal des Planeten anzeigt.

Nur wer die Augen vor der Gefährdung des Planeten verschließt, für den bleibt eine Kuh eine Kuh, ein Baum ein Baum, ein Meer ein Meer und ein Mensch ein Mensch. Wer sich jedoch der planetarischen Verantwortung bewusst wird, begreift, dass jede Steigerung der Zahl zur irreversiblen Katastrophe führen wird. Alle Katastrophen, die gegenwärtigen und die zukünftigen, alle extremen Wetterereignisse und alle zukünftigen Überflutungen, Waldbrände, Dürren, kurzum die künftige Unbewohnbarkeit der Welt ist letztlich durch diese eine Zahl bestimmt.

Wer dies erkennt, weiß: Eine Kuh ist keine Kuh, sondern ein Emittent von Treibhausgasen, ein Baum ist kein Baum, sondern eine CO2-Senke, ebenso die Ozeane, und ein Mensch ist unabdingbar eine problematische CO2-Größe. Diese Denkweise ist in geradezu unheimlicher Präzision im Plan »Fit für 55« der EU verwirklicht. Zusätzlich zu den im vorherigen Kapitel genannten Themenbereichen gibt es auch Aussagen zu Land- und Forstwirtschaft. Dieser Teilplan trägt das bürokratische Abkürzungsmonster LULUCF-Verordnung, was so viel wie »Land Use, Land Use Change and Forestry« bedeutet. Und was ist ein Wald, was ist ein Moor, was ein Feuchtgebiet? Für die EU eine CO2-Senke.

Unter diesem Gesichtspunkt, und nur unter diesem, werden Wald, Moor und Feuchtgebiete thematisiert. Alles, was nicht durch das Maß aller Dinge zu messen ist, verfehlt das eigentliche Ziel, das Ziel aller Ziele, nämlich die Senkung der magischen Zahl berechenbar zu machen. Jede Maßnahme, jede Aktivität, die nicht am Maß aller Dinge gemessen werden kann, ist vergebens.

Küstenschutz durch Dammbauten gibt es in Norddeutschland seit über 100 Jahren, warum also nicht auch zum Beispiel in Bangladesch? Hitze- aber auch Kältewellen können durch Klimaanlagen und Heizungen gemildert werden. Schwammstädte können das Regenwasser länger speichern, ebenso trägt eine Entsiegelung des Bodens dazu bei, starke Regenfälle für eine Erhöhung des Grundwasserspiegels zu nutzen. Gebiete, die unter geringerem Niederschlag leiden, könnten durch hunderte Kilometer lange Pipelines mit Wasser versorgt werden. Städte können auf vielfache Weise abgekühlt werden.

Doch solche Maßnahmen lenkten letztlich nur davon ab, was wirklich zu tun sei. Sie sind letztlich nutzlos, weil nicht erkannt wird, dass alles in Wahrheit eine Zahl ist und alles davon abhängt, ob diese Zahl steigt oder sinkt. Wer sich nicht in die Schar jener einreiht, die das Maß aller Dinge zum Maßstab alles Handeln erhoben hat, ist verdächtig. (…)

Als ob alles, was sich nicht am Maß aller Dinge messen lässt, zu einem anderen Universum gehören würde. In dieses vormathematische Universum der Dinge fällt dann zum Beispiel eine Aussage wie diese : »Klimapolitik als Mittel zur Bekämpfung des Hungers in der Welt ist schlichtweg ungeheuer ineffizient.« (Lomborg 2009, 149) Sie macht in der Welt des wahren Maßes keinen Sinn, denn die Bekämpfung des Hungers ist eine Sache, die Rettung der Welt eine andere.

(…) Die Erkenntnis, dass die Auflösung der Welt in Zahlen und Formeln diese in sinnlicher Fülle und materieller Realität auslöscht, ist keineswegs neu. Wirft man der Natur ein Zahlenkleid über, schlüpft die Wirklichkeit zwischen den Maschen hindurch. Dieses Motiv findet sich auch in der Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno und ebenso in der klassischen Gesellschaftskritik von Herbert Marcuse, unter anderem in seinem Buch Der eindimensionale Mensch, der sich in dieser Frage wiederum am französischen Philosophen Merleau-Ponty orientiert.

Man muss allerdings zwischen der Mathematisierung von konkreten Gegenständen und Prozessen und der Zahl als dem primären Weltzugang unterscheiden. Berechne ich die Stützmauern eines Hauses, so abstrahiere ich wohl von ästhetischen, lebenspraktischen Aspekten und den Bedürfnissen der BenutzerInnen. Diese Reduktion des Konkreten auf Zahlen ist zweifellos angebracht, soll das Gebäude nicht zusammenstürzen. Von der Entwicklung der Dampfmaschine bis zur Konstruktion von Computern beweist sich ununterbrochen die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens.

Davon ist ein Weltzugang zu unterscheiden, dem die Zahl zum einzigen Maß der Dinge wird. Das Reich der Vernunft beschränkt sich dann auf das Reich der Zahlen ; als rational und vernünftig gilt, was sich in mathematischen Formeln darstellen und berechnen lässt. Die Zahl wird zum Fetisch, verkörpert in Rankings, IQs und Klassifikationen. Was sich nicht in Zahlen darstellen lässt, existiert nicht. (…)

Insofern macht die Aussage, CO2 zum Maß aller Dinge zu machen, führe zu »kultureller, symbolischer und epistemischer Gewalt«, durchaus Sinn. Die unbestrittene, vom IPCC über die Staatskanzleien bis zur Klimabewegung hegemoniale Orientierung ist geradezu ein Musterbeispiel für den Triumph der Mathematisierung der Natur. Auch die AutorInnen der Studie sehen sehr klar, dass die Zahl als Maß aller Dinge weit über eine bloße Berechnung der Welt hinausgeht und in praktisches Verhalten umschlagen muss. »Ein metrischer [in Zahlen messender] Verstand erfordert eine metrische Geisteshaltung, eine eigene Denkweise, mit der sich die Welt in Form von Zahlen begreifen lässt.(…)

Das kennen wir doch

Aber warum ist uns die Thematisierung der Welt durch einen einzigen Maßstab so vertraut? Warum scheint es einzuleuchten, dass CO2 tatsächlich das Maß aller Dinge ist, jene Zahl, deren Minderung nicht nur den Planeten rettet, sondern zahlreiche Probleme wie Hunger, Krieg, Krankheiten, wirtschaftliche Krisen, schwindende Artenvielfalt usw. angeblich entschärft?

Weil es diese Zahl schon längst gibt und wir tagtäglich damit rechnen. Es ist das Geld, das Maß aller Dinge. Eine Wiese ist keine Wiese, sondern ein Grundstück mit Marktwert. Eine Kuh ist keine Kuh, sondern einige Kilogramm Fleisch mit unterschiedlicher Qualität, die unterschiedliche Preise ermöglichen. Die bunte Warenwelt ist in Wirklichkeit nur Träger von Geldwerten. Marx zeigt gleich zu Beginn seines Hauptwerkes Das Kapital, dass alle Dinge an einem einzigen Maßstab gemessen werden. Es ist dies sehr vereinfacht gesagt das Geld; alles hat so seinen Preis.

Doch dabei bleibt es nicht, der Zweck des Kapitals besteht darin, sich zu vermehren, aus Geld noch mehr Geld zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt verwandelt sich alles in Geldwerte, die als solche in die Kalkulation eingehen. Auch die Menschen werden so zu Kostenfaktoren. Das Kapital prüft die Arbeitskraft und versucht sie Gewinn maximierend einzusetzen.

Die Homologie (Ähnlichkeit im Bauplan; N.H.) zwischen CO2 als Maß aller Klimadinge und dem Geld als Maß aller Wirtschaftsdinge ist verblüffend. Sowohl die CO2-Monisten wie auch die KapitalbesitzerInnen behandeln die Dinge, Menschen, Landschaften, Wälder und Wiesen, als wäre ihr wahres Wesen eine Zahl. Es ist derselbe Weltzugang, der sich von der bunten Oberfläche der Dinge nicht täuschen lässt und auf den Rechengrößen als ihren wirklichen, entscheidenden Kern beharrt.

Das Konkrete wird dem Abstrakten untergeordnet. Man weiß, in Wirklichkeit besteht die Welt aus Zahlen. Ist das Kapital daran interessiert, wie profitabel die Produktion ist und welche Waren sich besonders gut verkaufen, so fragen die Alarmisten danach, was sich besonders gut zur Emissionssenkung eignet und was nicht.

Einen Unterschied gibt es jedoch. Die Prinzipien stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander. Vom einen soll es möglichst wenig, vom anderen möglichst viel geben. Aber auch hier zeigt sich eine geradezu verblüffende Wahlverwandtschaft. Beide Kalküle, das Weniger des einen und das Mehr des anderen, tendieren zu einer schrankenlosen Umsetzung. Widerstand soll nicht geduldet werden. Wer sich der Rationalität der Berechnung nicht unterordnet, wird moralisch verurteilt und mit Zwangsmaßnahmen bedroht. Profit wird ohne zu zögern auch mit Gewalt herausgepresst. Ebenso zögern nicht wenige innerhalb der Klimabewegung für Zwangsmaßnahmen zu plädieren, manche erwägen sogar eine Klimadiktatur.

Es ist eine Illusion zu meinen, die Reduktion des CO2-Gehalts stünde im Widerspruch zur Vermehrung des Geldes. Entweder das eine oder das andere? Es gibt wohl Stimmen aus der Wirtschaft, die befürchten, der Green New Deal würde zu höheren Rohstoff- und Energiepreisen führen, die die Wettbewerbsfähigkeit ihres Geschäftes mindern würden. Ebenso gibt es innerhalb der Klimabewegung Strömungen, die fest davon überzeugt sind, die Reduktion von CO2 sei mit dem Kapitalismus nicht zu machen. Das mag im Detail zutreffen, aber in Wahrheit harmonieren beide Kalküle bestens miteinander. Beiden ist die reale, raumzeitliche Welt nur das Mittel, nicht der Zweck. Es vereint derselbe Weltzugang, nämlich die konkrete, raumzeitliche Mannigfaltigkeit einem einzigen Maß zu unterwerfen.

Man sollte herrschende Kreise nicht unterschätzen. Was sich aus der Perspektive eines kleinen mittelständigen Unternehmens als Problem darstellen mag, so man nicht in der Sparte der erneuerbaren Energieproduktion tätig ist, stellt sich aus der Perspektive der großen Konzerne als Chance dar. Das Kapital hat längst begriffen, dass sich die Steigerung des Profits wunderbar in die Senkung von CO2 fügt. Es kann im Prinzip, sich einem einzigen Maß aller Dinge zu verschreiben, nichts Bedrohliches finden, es ist doch auch sein Prinzip: Die vielfältigen Interessen und Bedürfnisse der Menschen sollen den Berechnungen untergeordnet werden.

Erklären die einen höhere Löhne als wirtschaftlich schädlich und günstige Wohnungen als ökonomisch unvernünftig, so die anderen das Bedürfnis nach einer warmen Wohnung oder gar nach Fernreisen als unverantwortlich und klimaschädlich. Das eigene Prinzip der Verwandlung der Welt in das Maß aller Dinge, den Preisen einerseits und der CO2-Emission andererseits, soll gesellschaftlich verpflichtend werden. Die Menschen haben sich dem Kalkül der Zahlen zu unterwerfen.”

Meine Schlussfolgerung

Mich führen diese klugen Ausführungen zu dem Gedanken, dass es beim Schüren der CO2-Hysterie und der Fokussierung der Klima- und Umweltdebatte allein auf CO2 um das gehen könnte, worum es dem Kapitalismus schon immer geht: seinen Machtbereich zu erweitern. Nachdem alle Länder der Welt der Kapitalverwertungslogik bereits unterworfen sind, sind nun die Bereiche an der Reihe, wo es bisher noch hakt, die gesamte Natur nämlich. Was keinen Preis in Geld hat, bekommt einen Preis in CO2-Äquivalenten und darüber dann letztlich auch wieder in Geld.

So kann die gesamte natürliche Umwelt in das marktwirtschaftliche Knappheits- und Handelssystem einbezogen werden und damit Gewinne generieren.

Anders als Reitter gehe ich außerdem davon aus, dass die Mächtigen der Welt sich schon lange Sorgen machen, dass die Rohstoffe der Welt für sie und ihre Länder sehr knapp und teuer werden, wenn Länder wie China und Indien, mit drei Milliarden Menschen, weiter ein so starkes Wirtschaftswachstum aufweisen. Ein CO2-Regime, dessen Grundsätze sie bestimmen und verändern können, soll möglicherweise als Instrument dienen, den Ressourcenstrom in die eigene Richtung zu lenken.

Hier denke ich zum einen an die USA, die Meister darin sind, die Welt mit Grundsätzen zu überziehen, die dann für alle gelten, außer die USA. Das ist auch in der Klimafrage schon lange so. Der Club of Rome war ein Kind der Rockefellers und hat viel dazu beigetragen, dass die Europäer sehr viel weniger Ressourcen beanspruchen als die US-Amerikaner und diese erheblich teuer bezahlen. Klimaabkommen treiben die USA zwar eifrig voran, aber oft machen sie dann nicht mit, und wenn, dann mit sehr viel weniger Eifer als die Europäer.

Zum anderen betrifft das den Gegensatz zwischen den (reichen) Eliten und den Übrigen. Die CO2-Ideologie ist bestens geeignet, der Masse der Menschen größere Bescheidenheit aufzuzwingen, ohne dass das als Klassenkampf von oben erkennbar wird. Zu den Privilegien der Eliten gehört, dass sie ihren eigenen Luxuskonsum entweder verbergen oder mit Hilfe freundlicher Medien als Ausweis ihrer Macht und Großartigkeit erscheinen lassen können.

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