Konzerveranstalter sperren Menschen ohne Smartphone aus

Konzerveranstalter sperren Menschen ohne Smartphone aus

25.04.2024 – Norbert Häring

25. 04. 2024 | Konzerveranstalter und Deutschlands führender Ticket-Vermarkter Eventim gehen dazu über, Tickets für begehrte Veranstaltungen nur noch bei Nutzung einer App auf einem Smartphone zu ermöglichen. Eventim ist damit nicht zum ersten Mal ein Vorreiter in Sachen Überwachung und Diskriminierung. Die gute Nachricht: Sie können dagegen aktiv werden.

Erklärter Zweck der immer mehr um sich greifenden personalisierten Eintrittskarten  ist es, zu verhindern, dass Schwarzhändler die Karten aufkaufen und die verknappten Plätze dann zu überhöhten Preisen weiterverkaufen.

Die Personalisierung führt allerdings nicht nur zu problematischen Datenflüssen und Kontrollmöglichkeiten. Sie führt auch zu erhöhtem Überwachungsaufwand. Den wiederum nehmen Veranstalter und Firmen wie Eventim zum Anlass, noch einen draufzusetzen und die Karten nur noch digital zum vorzeigen auf dem Smartphone anzubieten.

So heißt es etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Tour von Nick Cave & The Bad Seeds:

“Die digitalen Tickets werden vor dem Konzert in der kostenlosen EVENTIM.App zur Verfügung gestellt. Sie müssen die EVENTIM.App vor dem Konzert auf Ihr mobiles Endgerät herunterladen und installieren. Die digitalen Tickets können nur in der EVENTIM.App angezeigt werden.”

Weitere Konzerte bzw. Tourneen, von denen Menschen ohne Smartphone ausgeschlossen werden, weil die Tickets auf der Eventim-App vorgezeigt werden müssen, sind:

Auch das Lollapalooza in Berlin ist nur per App buchbar und betretbar, allerdings unabhängig von Eventim. Dasselbe gilt für den Eintritt ins Forum Romanum in Rom. In die Red Bull Arena Leipzig kommt man nur noch mit der RBL-Ticket-App auf dem Smartphone.

Erstsemester dürfen an der Uni Köln ohne Smartphone nicht mehr in die Bibliothek. An vielen Unis gibt es das Semesterticket nur noch für die App auf dem Smartphone.

In Paris dürfen Menschen ohne Smartphone einem Leserhinweis zufolge die French Open nicht mehr besuchen. Ab einer Woche vor der Olympia-Eröffnungsfeier kommen Bewohner und Besucher der Stadtviertel an der Seine nur noch mit Voranmeldung und QR-Code in diese hinein. In einigen französischen Städten kommt man ohne Smartphone nicht mehr in die Parkhäuser. Besser dran ist man dann zudem, wenn man französisch kann und die nötige App versteht. Auch auf deutschen Parkplätzen gilt zunehmend: Zufahrt nur mit Smartphone.

Der Paketeversender DHL rüstet seine Packstationen so um, dass Menschen ohne Smartphone oder diejenigen, die damit nur telefonieren und Whats-App nutzen können, nicht mehr in der Lage sind, die dort deponierten Pakete abzuholen.

Restaurants, die sich für hip halten, zeigen zunehmend Gästen, die nicht ins Smartphone starren wollen oder können, um die Speisekarte zu lesen, die kalte Schulter.

Die Bahn zwingt ihren Kunden mit immer neuen Tricks und Gemeinheiten die DB-Navigator-App auf, die im Ruf steht, eine ungesetzliche Datenkrake zu sein. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Corona-Politik als Tabubrecher

Wie leider zu erwarten und zu befürchten war, werden damit die Kontroll- und Überwachungsmethoden aus der Corona-Zeit mit neuem Zweck und neuer Rechtfertigung auf Dauer gestellt.

Eventim hat sich schon damals – aus teilweise verständlichem Geschäftsinteresse – besonders hervorgetan. Schon Anfang Februar 2021, als die Impfkampagne gerade erst begonnen hatte, fungierte der Eventim-Chef mit der medial sehr stark beachteten Forderung, nicht “geimpfte” Menschen von Veranstaltungen auszuschließen, als Tabubrecher. Ein halbes Jahr später war es dann so weit und die Zeitungen konnten Vollzug melden: “Zutritt nur noch für Geimpfte”.

Eventim hatte tatkräftig daran gewirkt, das für Veranstaltungen möglich und effizient zu machen. Das Unternehmen entwickelte die nun weiter eingesetzten Techniken wie “Mobile Tickets – dein Handy ist die Eintrittskarte” und “Kontaktloser oder kontaktreduzierter Zutritt zu Veranstaltungen zum Teil mit RFID-Technologie, Selbst-Scannern und Drehkreuzen”.

Dass der Smartphone-Zwang für Konzertbesucher auch bei Personalisierung der Tickets nicht nötig ist, zeigt die MTC-Agentur, die die Rammstein-Tour – auch mit Eventim – organisiert. Hier gibt es personalisierte Tickets in Papierform, mutmaßlich mit QR-Code.

Totalitäres Potential

Wenn es so weitergeht, muss bald jeder sein persönliches Überwachungsgerät haben und ständig mitführen, weil man sonst nicht am öffentlichen Leben teilnehmen kann. Das ermöglicht ein umfassendes System der erzwungenen Voranmeldung zu Veranstaltungen, für Verkehrsmittel und zu Besuchen bestimmter Orte – und genau das passiert derzeit. Das wiederum eröffnet ungeahnte Möglichkeiten der Bevölkerungskontrolle.

Wenn jemand auf eine schwarze Liste gesetzt wird, kann er damit weitgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden. Der Zutritt oder der Ortswechsel von bestimmten Personen oder Personengruppen kann automatisiert und damit hocheffizient unterbunden werden. Wenn es zu Protesten gegen die Regierung kommt, die für diese gefährlich zu werden drohen, kann das sehr nützlich sein. Jemand wie Edward Snowden oder Julian Assange hätte keine Chance mehr, seinen Häschern zu entkommen. Man kann sich viele weitere Anwendungsfälle ausdenken.

Was kann man tun

Am Samstag 27.4. ab 13 Uhr ist am Römer in Frankfurt am Main eine große Demo gegen Digitalzwang und für den Erhalt des Bargelds, mit Aufzug zur Europäischen Zentralbank. Wer die Mühe auf sich nimmt, sich dort zu zeigen, setzt ein starkes Zeichen. Ich werde dort sein und Aufkleber einer Initiative gegen Zwangsdigitalisierung verteilen, mit denen man gegen den um sich greifenden Ausschluss smartphonefreier Menschen protestieren kann.

Wer es nicht zu der Demo in Frankfurt schafft, kann sich die Aufkleber auch bei promostoff für kleines Geld besorgen. Promostoff ist die Druckerei, die auch den Fanshop des respektlosen Poscasts Basta.Berlin betreibt.

Über die aufgedruckte Mailadresse können sich Menschen, die gegen Digitalzwang aktiv werden wollen, für einen Newsletter anmelden und sich über neue Entwicklungen und Handlungsmöglichkeiten in Sachen Digitalzwang informieren lassen. Ich bin an der Initiative beteiligt, aber sie ist unabhängig von diesem Blog.

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Tipps, wie IT-Laien sich der Totalüberwachung durch Smartphone und Whatsapp entziehen können
12. 01. 2024 | Den Wortteil Smart wie in Smartphone, Smart City und Smart Meter kann man mit Überwachung gleichsetzen. Smartphones senden den ganzen Tag Daten über ihre Nutzer an die Anbieter von Apps und des Betriebssystems, einschließlich solcher, die ein vollständiges Bewegungsprofil erlauben. Whatsapp zwingt Nutzer, dem Mutterkonzern Meta – wohl rechtswidrig – Zugriff auf die Daten von Dritten zu geben, die in den Kontakten enthalten sind. Beides lässt sich vermeiden, auch für IT-Laien.

Der smartphonefreie Monat hebt ab
6. 03. 2024 | Im Selbstexperiment hat die Journalistin Kashmir Hill einen Monat lang zugunsten eines einfachen Klapphandys auf ihr Smartphone verzichtet, um ihre überbordenden Bildschirmzeiten einzudämmen. Sie berichtete in der New York Times hierüber und über ähnliche Initiativen gegen die Smartphone-Sucht und löste damit ironischer Weise einen Social-Media-Hype aus.

Gegenwind für das Smartphone in Frankreich
10. 02. 2024 | Im französischen Städtchen Seine-Port hat eine Mehrheit für ein (nicht strafbewehrtes) Verbot der Nutzung von Smartphones in der Öffentlichkeit gestimmt. Damit sollen die öffentlichen Plätze wieder Orte der sozialen Begegnung werden. Am 17. Januar hatte Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigt, Wissenschaftler hinsichtlich der angemessenen Nutzung von Bildschirmen durch Kinder zu konsultieren.|

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25.04.2024 – Norbert Häring

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Erklärter Zweck der immer mehr um sich greifenden personalisierten Eintrittskarten  ist es, zu verhindern, dass Schwarzhändler die Karten aufkaufen und die verknappten Plätze dann zu überhöhten Preisen weiterverkaufen.

Die Personalisierung führt allerdings nicht nur zu problematischen Datenflüssen und Kontrollmöglichkeiten. Sie führt auch zu erhöhtem Überwachungsaufwand. Den wiederum nehmen Veranstalter und Firmen wie Eventim zum Anlass, noch einen draufzusetzen und die Karten nur noch digital zum vorzeigen auf dem Smartphone anzubieten.

So heißt es etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Tour von Nick Cave & The Bad Seeds:

“Die digitalen Tickets werden vor dem Konzert in der kostenlosen EVENTIM.App zur Verfügung gestellt. Sie müssen die EVENTIM.App vor dem Konzert auf Ihr mobiles Endgerät herunterladen und installieren. Die digitalen Tickets können nur in der EVENTIM.App angezeigt werden.”

Weitere Konzerte bzw. Tourneen, von denen Menschen ohne Smartphone ausgeschlossen werden, weil die Tickets auf der Eventim-App vorgezeigt werden müssen, sind:

Auch das Lollapalooza in Berlin ist nur per App buchbar und betretbar, allerdings unabhängig von Eventim. Dasselbe gilt für den Eintritt ins Forum Romanum in Rom. In die Red Bull Arena Leipzig kommt man nur noch mit der RBL-Ticket-App auf dem Smartphone.

Erstsemester dürfen an der Uni Köln ohne Smartphone nicht mehr in die Bibliothek. An vielen Unis gibt es das Semesterticket nur noch für die App auf dem Smartphone.

In Paris dürfen Menschen ohne Smartphone einem Leserhinweis zufolge die French Open nicht mehr besuchen. Ab einer Woche vor der Olympia-Eröffnungsfeier kommen Bewohner und Besucher der Stadtviertel an der Seine nur noch mit Voranmeldung und QR-Code in diese hinein. In einigen französischen Städten kommt man ohne Smartphone nicht mehr in die Parkhäuser. Besser dran ist man dann zudem, wenn man französisch kann und die nötige App versteht. Auch auf deutschen Parkplätzen gilt zunehmend: Zufahrt nur mit Smartphone.

Der Paketeversender DHL rüstet seine Packstationen so um, dass Menschen ohne Smartphone oder diejenigen, die damit nur telefonieren und Whats-App nutzen können, nicht mehr in der Lage sind, die dort deponierten Pakete abzuholen.

Restaurants, die sich für hip halten, zeigen zunehmend Gästen, die nicht ins Smartphone starren wollen oder können, um die Speisekarte zu lesen, die kalte Schulter.

Die Bahn zwingt ihren Kunden mit immer neuen Tricks und Gemeinheiten die DB-Navigator-App auf, die im Ruf steht, eine ungesetzliche Datenkrake zu sein. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Corona-Politik als Tabubrecher

Wie leider zu erwarten und zu befürchten war, werden damit die Kontroll- und Überwachungsmethoden aus der Corona-Zeit mit neuem Zweck und neuer Rechtfertigung auf Dauer gestellt.

Eventim hat sich schon damals – aus teilweise verständlichem Geschäftsinteresse – besonders hervorgetan. Schon Anfang Februar 2021, als die Impfkampagne gerade erst begonnen hatte, fungierte der Eventim-Chef mit der medial sehr stark beachteten Forderung, nicht “geimpfte” Menschen von Veranstaltungen auszuschließen, als Tabubrecher. Ein halbes Jahr später war es dann so weit und die Zeitungen konnten Vollzug melden: “Zutritt nur noch für Geimpfte”.

Eventim hatte tatkräftig daran gewirkt, das für Veranstaltungen möglich und effizient zu machen. Das Unternehmen entwickelte die nun weiter eingesetzten Techniken wie “Mobile Tickets – dein Handy ist die Eintrittskarte” und “Kontaktloser oder kontaktreduzierter Zutritt zu Veranstaltungen zum Teil mit RFID-Technologie, Selbst-Scannern und Drehkreuzen”.

Dass der Smartphone-Zwang für Konzertbesucher auch bei Personalisierung der Tickets nicht nötig ist, zeigt die MTC-Agentur, die die Rammstein-Tour – auch mit Eventim – organisiert. Hier gibt es personalisierte Tickets in Papierform, mutmaßlich mit QR-Code.

Totalitäres Potential

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Wenn jemand auf eine schwarze Liste gesetzt wird, kann er damit weitgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden. Der Zutritt oder der Ortswechsel von bestimmten Personen oder Personengruppen kann automatisiert und damit hocheffizient unterbunden werden. Wenn es zu Protesten gegen die Regierung kommt, die für diese gefährlich zu werden drohen, kann das sehr nützlich sein. Jemand wie Edward Snowden oder Julian Assange hätte keine Chance mehr, seinen Häschern zu entkommen. Man kann sich viele weitere Anwendungsfälle ausdenken.

Was kann man tun

Am Samstag 27.4. ab 13 Uhr ist am Römer in Frankfurt am Main eine große Demo gegen Digitalzwang und für den Erhalt des Bargelds, mit Aufzug zur Europäischen Zentralbank. Wer die Mühe auf sich nimmt, sich dort zu zeigen, setzt ein starkes Zeichen. Ich werde dort sein und Aufkleber einer Initiative gegen Zwangsdigitalisierung verteilen, mit denen man gegen den um sich greifenden Ausschluss smartphonefreier Menschen protestieren kann.

Wer es nicht zu der Demo in Frankfurt schafft, kann sich die Aufkleber auch bei promostoff für kleines Geld besorgen. Promostoff ist die Druckerei, die auch den Fanshop des respektlosen Poscasts Basta.Berlin betreibt.

Über die aufgedruckte Mailadresse können sich Menschen, die gegen Digitalzwang aktiv werden wollen, für einen Newsletter anmelden und sich über neue Entwicklungen und Handlungsmöglichkeiten in Sachen Digitalzwang informieren lassen. Ich bin an der Initiative beteiligt, aber sie ist unabhängig von diesem Blog.

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