Wacken-Festival verbannt Bargeld, verärgert Besucher und macht falsche Angaben zur Datenweitergabe

Wacken-Festival verbannt Bargeld, verärgert Besucher und macht falsche Angaben zur Datenweitergabe

08.08.2022 – Norbert Häring

8. 08. 2022 | Die Veranstalter des Rockfestivals Wacken haben in diesem Jahr die Nutzung von Bargeld auf dem Festivalgelände ausgeschlossen, angeblich um Schlangestehen zu vermeiden. Das Ergebnis war, dass viele Besucher stundenlang anstehen mussten, bevor sie Essen und Trinken kaufen konnten. Über die Datenweitergabe beim digitalen Bezahlen machen die Veranstalter falsche Angaben.

Auf dem berühmten dreitägigen Rockfestival von Wacken, das am Samstag zu Ende ging, gab es in diesem Jahr erstmals für Bargeld nichts zu kaufen. Das ging furchtbar schief, wie die Bildzeitung berichtete. Ihr gegenüber begründeten die Veranstalter die im Vorhinein völlig unzureichend kommunizierte Einschränkung auf nichtssagende Weise:

„In den letzten zweieinhalb Jahren hat sich die Welt in Riesenschritten in Richtung bargeldlosen Zahlens entwickelt. Wir wissen, dass viele unserer Fans diese Entwicklung tagtäglich leben, somit war es für uns eine logische Konsequenz, nach ersten Erfahrungen in vorangegangenen Jahren auch bei uns das bargeldlose Zahlen vollumfänglich umzusetzen.“

Bei einigen anderen Veranstaltungen dieser Art gab es Deals mit Großsponsoren aus der Finanzbranche, die auf ein Bargeldverbot drängten. Ob das hier auch der Fall war, habe ich am Freitag bei den Veranstaltern angefragt. Sollte ich noch eine Antwort bekommen, reiche ich diese nach. Kontakte mit dem Kreditkartenunternehmen Mastercard, das sehr gern und oft zu diesem Mittel greift, um die lästige Bargeldkonkurrenz zu verdrängen, gibt es schon lange. Seit 2008 gibt es eine „Wackencard“ von Mastercard, die über die Sparkasse Westholstein ausgegeben wird.

„Eine Katastrophe“

Bild berichtet, das manche Besucher nach den üblichen stundenlangen Schlange vor der Einfahrt in den Campingplatz noch einmal bis zu vier Stunden anstehen mussten, um den Chip am Festival-Armband aufzuladen, mit dem man ausschließlich bezahlen konnte. In dieser Zeit konnten sie sich noch nichts zu essen oder zu trinken kaufen. „Eine Katastrophe diese Planung, durch nichts zu entschuldigen“ und ähnlich lauteten die entrüsteten Kommentare auf der Fanseite des Festivals.

Die Besucher hätten zwar ihre Chips schon vorab aufladen können, aber die Veranstalter hatten sie  wohl nur sehr unzureichend darauf hingewiesen, dass das nicht nur möglich, sondern auch unbedingt nötig war. Auf der Festivalnetzseite wurde man nur, wenn man aktiv den Reiter „Cashless Payment“ anklickte, darauf hingewiesen. Aber gerade viele Leute, die ohnehin nicht digital bezahlen wollten, haben das vermutlich nicht getan.

Falsche Datenschutzangaben

Was man auf der Festivalnetzseite unter dem Reiter „Cashless Payment“ in Sachen Datenschutz erfährt, ist evident falsch und unvollständig. Dort heißt es:

„Wir legen hohen Wert auf den Schutz deiner Daten. Jede Nutzung des Chips, z. B. Aufladung oder der Kauf eines Getränkes wird aufgezeichnet, d. h. man ist nicht komplett anonym. Dennoch musst du dir keine Sorgen machen, denn diese Daten bleiben unter Verschluss und werden nicht an Dritte weitergegeben. Wir halten uns an die geltenden Datenschutzregeln.“

Die Daten werden selbstverständlich doch an Dritte weitergegeben, nämlich mindestens an die Firma Global Event Technologies GmbH & Co. KG aus Österreich, die die Zahlungen abwickelt. Ob und mit wie vielen Partnern diese Firma wiederum zusammenarbeitet und Daten weitergibt, wird nicht mitgeteilt. In der Regel sind das beim digitalen Bezahlen eine ganze Reihe von Unternehmen. Auf der Netzseite von Global Event Technologies heißt es (übersetzt):

„Echtzeitberichterstattung: Alle unsere Geräte kommunizieren mit Wifi oder M2M sim mit unserem Server und werden in Echtzeit in die Cloud synchronisiert, sodass sie direkt für die Berichterstattung verfügbar sind.“

Statt hierüber aufzuklären, heißt es auf der Wacken-Netzseite irreführend:

„Unser Dienstleister im Bereich Cashless Payment ist die Firma Global Event Technologies GmbH & Co. KG aus Österreich. Weitere Informationen entnimmst du den Privacy Terms von GET: https://www.get.systems/privacy-policy/“

Folgt man dem angegebenen Link, erfährt man, dass Global Event Technologies auf der Netzseite, auf der sie ihre Dienste bewerben, Cookies und (ersten Gerichtsurteilen zufolge rechtswidriger Weise Google Analytics) einsetzen, aber nichts dazu, wie mit Daten aus dem digitalen Bezahlvorgang umgegangen wird.

Ferner schreiben die Wackener:

„Sobald deine personenbezogenen Daten nicht mehr für die Bereitstellung der Services und die Abwicklung von Zahlungsverkehr und Restguthaben benötigt werden und keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten entgegenstehen, werden diese gelöscht.“

Diese Information ist auf irreführende Weise nichtssagend. Denn die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen im Finanzgewerbe können sehr lang sein. Man hat keine Anhaltspunkte festzustellen, ob es sich in diesem Fall um Wochen oder um zehn Jahre handelt.

Fazit

Wenn es den Veranstalter wirklich (nur) darum gegangen wäre, weniger Schlangen, mehr Komfort und vielleicht größeren Umsatz durch schnellere Bezahlvorgänge zu erreichen, hätten sie die Chip-Lösung als zusätzliche Möglichkeit angeboten und zumindest an manchen Ständen Bargeld akzeptiert bzw. akzeptieren lassen. Auch hätten sie vernünftig und korrekt über die Datennutzung und -weitergabe informiert. So macht das ganze stark den Eindruck, dass es sich um eine weitere von der Finanzbranche angeschobene Attacke gegen das Bargeld und diejenigen, die es nutzen möchten, handelt.

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8. 08. 2022 | Die Veranstalter des Rockfestivals Wacken haben in diesem Jahr die Nutzung von Bargeld auf dem Festivalgelände ausgeschlossen, angeblich um Schlangestehen zu vermeiden. Das Ergebnis war, dass viele Besucher stundenlang anstehen mussten, bevor sie Essen und Trinken kaufen konnten. Über die Datenweitergabe beim digitalen Bezahlen machen die Veranstalter falsche Angaben.

Auf dem berühmten dreitägigen Rockfestival von Wacken, das am Samstag zu Ende ging, gab es in diesem Jahr erstmals für Bargeld nichts zu kaufen. Das ging furchtbar schief, wie die Bildzeitung berichtete. Ihr gegenüber begründeten die Veranstalter die im Vorhinein völlig unzureichend kommunizierte Einschränkung auf nichtssagende Weise:

„In den letzten zweieinhalb Jahren hat sich die Welt in Riesenschritten in Richtung bargeldlosen Zahlens entwickelt. Wir wissen, dass viele unserer Fans diese Entwicklung tagtäglich leben, somit war es für uns eine logische Konsequenz, nach ersten Erfahrungen in vorangegangenen Jahren auch bei uns das bargeldlose Zahlen vollumfänglich umzusetzen.“

Bei einigen anderen Veranstaltungen dieser Art gab es Deals mit Großsponsoren aus der Finanzbranche, die auf ein Bargeldverbot drängten. Ob das hier auch der Fall war, habe ich am Freitag bei den Veranstaltern angefragt. Sollte ich noch eine Antwort bekommen, reiche ich diese nach. Kontakte mit dem Kreditkartenunternehmen Mastercard, das sehr gern und oft zu diesem Mittel greift, um die lästige Bargeldkonkurrenz zu verdrängen, gibt es schon lange. Seit 2008 gibt es eine „Wackencard“ von Mastercard, die über die Sparkasse Westholstein ausgegeben wird.

„Eine Katastrophe“

Bild berichtet, das manche Besucher nach den üblichen stundenlangen Schlange vor der Einfahrt in den Campingplatz noch einmal bis zu vier Stunden anstehen mussten, um den Chip am Festival-Armband aufzuladen, mit dem man ausschließlich bezahlen konnte. In dieser Zeit konnten sie sich noch nichts zu essen oder zu trinken kaufen. „Eine Katastrophe diese Planung, durch nichts zu entschuldigen“ und ähnlich lauteten die entrüsteten Kommentare auf der Fanseite des Festivals.

Die Besucher hätten zwar ihre Chips schon vorab aufladen können, aber die Veranstalter hatten sie  wohl nur sehr unzureichend darauf hingewiesen, dass das nicht nur möglich, sondern auch unbedingt nötig war. Auf der Festivalnetzseite wurde man nur, wenn man aktiv den Reiter „Cashless Payment“ anklickte, darauf hingewiesen. Aber gerade viele Leute, die ohnehin nicht digital bezahlen wollten, haben das vermutlich nicht getan.

Falsche Datenschutzangaben

Was man auf der Festivalnetzseite unter dem Reiter „Cashless Payment“ in Sachen Datenschutz erfährt, ist evident falsch und unvollständig. Dort heißt es:

„Wir legen hohen Wert auf den Schutz deiner Daten. Jede Nutzung des Chips, z. B. Aufladung oder der Kauf eines Getränkes wird aufgezeichnet, d. h. man ist nicht komplett anonym. Dennoch musst du dir keine Sorgen machen, denn diese Daten bleiben unter Verschluss und werden nicht an Dritte weitergegeben. Wir halten uns an die geltenden Datenschutzregeln.“

Die Daten werden selbstverständlich doch an Dritte weitergegeben, nämlich mindestens an die Firma Global Event Technologies GmbH & Co. KG aus Österreich, die die Zahlungen abwickelt. Ob und mit wie vielen Partnern diese Firma wiederum zusammenarbeitet und Daten weitergibt, wird nicht mitgeteilt. In der Regel sind das beim digitalen Bezahlen eine ganze Reihe von Unternehmen. Auf der Netzseite von Global Event Technologies heißt es (übersetzt):

„Echtzeitberichterstattung: Alle unsere Geräte kommunizieren mit Wifi oder M2M sim mit unserem Server und werden in Echtzeit in die Cloud synchronisiert, sodass sie direkt für die Berichterstattung verfügbar sind.“

Statt hierüber aufzuklären, heißt es auf der Wacken-Netzseite irreführend:

„Unser Dienstleister im Bereich Cashless Payment ist die Firma Global Event Technologies GmbH & Co. KG aus Österreich. Weitere Informationen entnimmst du den Privacy Terms von GET: https://www.get.systems/privacy-policy/“

Folgt man dem angegebenen Link, erfährt man, dass Global Event Technologies auf der Netzseite, auf der sie ihre Dienste bewerben, Cookies und (ersten Gerichtsurteilen zufolge rechtswidriger Weise Google Analytics) einsetzen, aber nichts dazu, wie mit Daten aus dem digitalen Bezahlvorgang umgegangen wird.

Ferner schreiben die Wackener:

„Sobald deine personenbezogenen Daten nicht mehr für die Bereitstellung der Services und die Abwicklung von Zahlungsverkehr und Restguthaben benötigt werden und keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten entgegenstehen, werden diese gelöscht.“

Diese Information ist auf irreführende Weise nichtssagend. Denn die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen im Finanzgewerbe können sehr lang sein. Man hat keine Anhaltspunkte festzustellen, ob es sich in diesem Fall um Wochen oder um zehn Jahre handelt.

Fazit

Wenn es den Veranstalter wirklich (nur) darum gegangen wäre, weniger Schlangen, mehr Komfort und vielleicht größeren Umsatz durch schnellere Bezahlvorgänge zu erreichen, hätten sie die Chip-Lösung als zusätzliche Möglichkeit angeboten und zumindest an manchen Ständen Bargeld akzeptiert bzw. akzeptieren lassen. Auch hätten sie vernünftig und korrekt über die Datennutzung und -weitergabe informiert. So macht das ganze stark den Eindruck, dass es sich um eine weitere von der Finanzbranche angeschobene Attacke gegen das Bargeld und diejenigen, die es nutzen möchten, handelt.

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